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Zyklus der Erdenkinder 06 - Ayla und das Lied der Höhlen

Zyklus der Erdenkinder 06 - Ayla und das Lied der Höhlen

Titel: Zyklus der Erdenkinder 06 - Ayla und das Lied der Höhlen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean M. Auel
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zurücklassen würde. Nicht ganz allein, das war ihr klar, alle anderen wären auch noch da, aber Ayla war ihr eine so wunderbare Gesellschaft gewesen, dass ihr die Abwesenheit ihrer Kinder kaum aufgefallen war. Die ältere Frau bemerkte auch, dass die Gebrechen, die sie vom Sommertreffen fernhielten, ihr weniger zu schaffen machten. Das Können der jungen Frau mit ihren Heilmitteln, ihren speziellen Tees, den Umschlägen und Massagen war erstaunlich. Sie schienen zu wirken, denn es ging Marthona wesentlich besser. Ayla würde ihr wirklich sehr fehlen.
    Sieben Tage lang schien die Sonne fast immer an derselben Stelle unterzugehen, allerdings war Ayla sich nur an drei Tagen wirklich sicher. Es kam ihr vor, als gäbe es an den zwei vorhergehenden und den zwei folgenden Tagen eine kleine Verschiebung, allerdings eine kleinere als sonst. Danach stellte sie zu ihrem Erstaunen fest, dass die Stelle, an der die Sonne unterging, tatsächlich wieder in umgekehrter Richtung lag. Diesen Richtungswechsel zu verfolgen empfand Ayla als aufregend, und auch zu erkennen, dass die Sonne bis zum Winter-Kurztag wieder der Richtung folgen würde, aus der sie gekommen war.
    Zusammen mit Zelandoni und mehreren anderen hatte sie den vergangenen Winter-Kurztag verfolgt, aber nicht dieselbe Aufregung empfunden wie jetzt, obwohl der Tag für die meisten Höhlenbewohner der wichtigere war. Schließlich brachte er die Verheißung mit sich, dass die unerbittliche Kälte des Winters enden und die Wärme des Sommers wiederkehren würde, deshalb wurde er mit großer Freude begangen.
    Dieser Sommer-Langtag aber bedeutete Ayla besonders viel. Sie hatte ihn selbst gesehen, hatte sich selbst vergewissert, dass er tatsächlich gekommen war, und sie hatte das Gefühl, etwas vollbracht zu haben. Zudem war sie zutiefst erleichtert: Ihr Jahr des Beobachtens war vorüber. Sie würde noch einige Nächte Wache halten und weiter ihre Kennzeichnungen machen, um zu sehen, ob und wie die Stelle des Sonnenuntergangs sich veränderte, aber in Gedanken war sie bereits mit ihrem Aufbruch zum Sommerlager beschäftigt.
    Am nächsten Abend, nachdem sie erneut bestätigt hatte, dass die Sonne ihre Richtung geändert hatte, wurde sie oben auf ihrer Felswand rastlos. Den ganzen Tag schon war sie nervös und fahrig gewesen und hatte das auf ihre Schwangerschaft geschoben oder auf die Erkenntnis, dass sie nicht mehr allzu viele einsame Nächte allein unter dem Himmel verbringen musste. Sie versuchte sich zu sammeln, und um sich zu beruhigen, sprach sie leise das Lied von der Mutter vor sich hin. Das war noch immer ihr Lieblingslied, doch während sie murmelnd die Strophen rezitierte, merkte sie, dass ihre Anspannung nur noch größer wurde.
    »Warum bin ich nur so unruhig? Ob ein Gewitter im Anzug ist? Dann bin ich manchmal so angespannt«, sagte sie laut und merkte dann, dass sie ein Selbstgespräch führte. Ich sollte meditieren, dachte sie. Das wird mir helfen, mich zu entspannen. Vielleicht mache ich mir aber noch eine Tasse Tee.
    Sie kehrte an ihren Sitzplatz zurück, fachte das Feuer wieder an, füllte einen kleinen Kochbehälter mit Wasser aus ihrem Wasserbeutel und durchsuchte ihre Sammlung von Kräutern, die sie im Medizinbeutel an ihrem Hüftriemen aufbewahrte. Ayla hob die getrockneten Blätter in Beuteln auf, die sie mit Riemen und Kordeln in unterschiedlicher Art und Stärke verschnürte. Die Enden verknotete sie auf verschiedene Weise, damit sie den Inhalt unterscheiden konnte, so, wie Iza es sie gelehrt hatte.
    Trotz Feuer und Mondlicht war es so dunkel, dass sie sich auf ihre Nase und ihren Tastsinn verlassen musste, um die einzelnen Kräuter und Heilmittel zu unterscheiden. Ayla dachte an ihren ersten Medizinbeutel, den Iza ihr geschenkt hatte. Er bestand aus der wasserdichten Haut eines ganzen Otters, dessen Innereien durch eine große Öffnung am Hals entfernt worden waren. Sie hatte seitdem mehrere solcher Beutel für sich gefertigt, aber mittlerweile war auch derjenige, den sie gerade verwendete, schon wieder abgenutzt und verschlissen, doch sie konnte sich nicht von ihm trennen. Sie würde sich einen neuen machen müssen. Es war ein Clan-Medizinbeutel, und er besaß eine außergewöhnliche Kraft. Selbst Zelandoni war beeindruckt gewesen, als sie ihn das erste Mal sah, beim bloßen Anblick hatte sie um seine besondere Macht gewusst.
    Ayla suchte ein paar Päckchen heraus. Die meisten ihrer Kräuter waren Arzneien, doch bei einigen waren die Heilkräfte nur

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