Zyklus der Erdenkinder 06 - Ayla und das Lied der Höhlen
bleiben, bis er dann vor rund einem Mond unvermittelt verschwunden war. Ein Läufer von einer anderen Höhle war gekommen, um Ayla zu bitten, sich um den Armbruch eines Mannes zu kümmern. Ihr Geschick, Knochen einzurichten, hatte sich weithin herumgesprochen. Als sie einige Tage später in die Neunte Höhle zurückkam, war Madroman fort gewesen.
»Wie weit ist Jeralda denn jetzt?«, fragte Ayla.
»Ihre Mondzeiten waren unregelmäßig, und sie hat ein bisschen geblutet, deswegen haben wir nicht besonders darauf geachtet und wissen nicht genau, wann dieses Leben begonnen hat. Ich glaube, sie ist dicker als bei der letzten Fehlgeburt, aber vielleicht wünsche ich mir das auch nur«, sagte Jeviva.
»Ich schaue morgen vorbei und untersuche sie. Dann sehen wir, was ich herausfinden kann, obwohl ich nicht weiß, wie viel das sein wird. Hat Zelandoni etwas gesagt, weshalb sie die ersten drei Kinder verloren hat?«, erkundigte sich Ayla.
»Sie meinte nur, dass Jeraldas Schoß zu schwach sei und sie das Kind nicht halten könne. Dem Letzten schien nichts zu fehlen, es kam einfach nur zu früh auf die Welt. Der Junge hat bei der Geburt gelebt und auch einen ganzen Tag weitergelebt, aber dann hat er plötzlich aufgehört zu atmen.« Die Frau wandte den Kopf ab und wischte sich eine Träne fort.
Jeralda legte einen Arm um ihre Mutter, und dann umarmte für einen Augenblick ihr Gefährte die beiden Frauen. Ayla beobachtete, wie die kleine Familie ihren Kummer in der Erinnerung noch einmal durchlebte. Sie hoffte, dass diese Schwangerschaft ein besseres Ende nehmen würde.
Joharran hatte zwei Männer abgestellt, die für die in der Neunten Höhle Zurückbleibenden jagen und ihnen nach Kräften bei allen anfallenden Arbeiten helfen sollten. In rund einem Mond würden sie ausgetauscht werden. Ein Jäger hatte sich freiwillig gemeldet, das war Jonfilar, der Gefährte der Frau mit der schwierigen Schwangerschaft. Die beiden anderen hatten Pech gehabt und bei den Wettbewerben verloren, die ihr Anführer veranstaltet hatte, um zu bestimmen, wer zurückbleiben musste. Der Ältere hieß Lorigan, der Jüngere Forason. Sie hatten gemurrt, aber da sie im kommenden Jahr nicht an dem Wettspiel würden teilnehmen müssen, fügten sie sich in ihr Schicksal.
Oft ging Ayla mit den Männern auf die Jagd, was ihr jedes Mal großen Spaß machte, ebenso häufig aber zog sie mit Winnie und Wolf allein los. Obwohl sie schon länger nicht mehr jagen gegangen war, hatte sie ihre Geschicklichkeit nicht eingebüßt. Der noch sehr junge Forason hatte anfangs das Jagdvermögen der Gehilfin der Donier angezweifelt und den Verdacht geäußert, sie wäre doch nur im Weg, zumal sie darauf bestand, den Wolf mitzunehmen. Lorigan lächelte nur. Am Ende des ersten Tages war der junge Mann erstaunt über Aylas meisterliche Handhabung der Speerschleuder und der Steinschleuder und verblüfft, wie gut das Raubtier mit ihnen zusammenarbeitete. Auf dem Heimweg erklärte der Ältere dem Jüngeren, dass Ayla und Jondalar die Speerschleuder entwickelt und von ihrer Großen Reise mitgebracht hatten. Forason besaß so viel Anstand, sich zu schämen.
Meistens blieb Ayla allerdings in der Nähe des geräumigen Abris. Für gewöhnlich nahmen die Zurückgebliebenen ihre Abendmahlzeit gemeinsam ein. Wenn sie alle um ein Feuer saßen, wirkte der große Raum nicht ganz so leer. Die Alten und Gebrechlichen waren überglücklich, eine richtige Heilerin bei sich zu haben, die sie versorgte. Das verlieh ihnen ein unverhofftes Gefühl von Sicherheit. Sonst erhielten die Gesünderen unter den Zurückbleibenden oder die Jäger lediglich ein paar Anweisungen, ehe die anderen zum Sommertreffen aufbrachen, bestenfalls blieb ein Gehilfe zurück, aus ähnlichen Gründen wie jetzt Ayla, aber selten jemand mit ihrer großen Erfahrung.
Bald folgten Aylas Tage einem geregelten Ablauf. Sie schlief am Vormittag, besuchte nachmittags die Bedürftigen, erkundigte sich nach ihren Beschwerden, verabreichte ihnen Heilmittel, legte Umschläge an und tat, was in ihrer Macht stand, damit es ihnen besserging. Dadurch verstrich auch für sie selbst die Zeit schneller. Alle kamen sich näher, erzählten aus ihrem Leben oder gaben Geschichten zum Besten, die sie gehört hatten. Ayla rezitierte die Überlieferungen und Legenden der Alten, die sie sich einprägen musste, und berichtete von ihrem frühen Leben. Beides hörten die am Feuer Sitzenden mit großem Vergnügen. Zwar sprach Ayla nach wie vor mit ihrem
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