Zyklus der Erdenkinder 06 - Ayla und das Lied der Höhlen
hatte, bemühte sie sich, vorsichtiger zu sein. Wie war es ihr nur gelungen, so weit in die Höhle vorzudringen?
Immer wieder lief der Wolf ihr ein kurzes Stück voraus und kehrte dann zu ihr zurück, einmal verstellte er ihr den Weg, um sie daran zu hindern, der falschen Abzweigung zu folgen. Als der Boden unter ihren Füßen allmählich anstieg, wusste sie, dass sie sich dem Ausgang näherte. Sie war oft genug in dieser Höhle gewesen, um zu wissen, wo sie war, doch während des Aufstiegs überkam sie erneut ein Schwindel, und sie sank auf die Knie. Der Weg kam ihr viel weiter vor, als sie ihn in Erinnerung hatte, mehrmals musste sie stehen bleiben und sich ausruhen, ehe sie schließlich die kleine, schmale Öffnung erreichte. Zwar war die ganze Höhle heilig, doch eine natürliche Felsbarriere unterteilte die Höhle und trennte den der Allgemeinheit zugänglichen vorderen Teil vom inneren, heiligen Bereich. Das Loch war die einzige Passage, ein Eingang in die Unterwelt der Großen Mutter.
Sobald Ayla dieses Hindernis überwunden hatte, spürte sie, dass die Luft etwas wärmer wurde, und schaudernd wurde ihr bewusst, wie kalt ihr tatsächlich war. Nach einer Biegung glaubte sie einen Lichtschimmer vor sich ausmachen zu können und hastete darauf zu. Bei der nächsten sanften Biegung war sie sich sicher, jetzt sah sie auch die nassen Höhlenwände glitzern, und der Wolf vor ihr trabte einem fahlen Lichtschein entgegen. Nachdem sie eine weitere Biegung umrundet hatte, begrüßte Ayla dankbar den Lichtstrahl, der von draußen hereinfiel, obwohl ihre Augen sich derart an das Dunkel gewöhnt hatten, dass er sie fast blendete. Als sie dann die Öffnung klar vor sich sah, verfiel sie beinahe in Laufschritt.
Ayla taumelte aus der Höhle, blinzelte im Licht, Tränen traten ihr aus den Augen und liefen in Rinnsalen über ihre mit Schlamm verdreckten Wangen. Wolf schmiegte sich eng an sie. Als sie in der grellen Helligkeit schließlich etwas erkennen konnte, sah sie überrascht, dass die Sonne hoch am Himmel stand und mehrere Menschen sie anstarrten. Die beiden Jäger Lorigan und Forason sowie Jeviva, die Mutter der schwangeren Frau, hielten sich zunächst scheu im Hintergrund und betrachteten sie mit einer gewissen Ehrfurcht, doch als Ayla stolpernd zu Boden fiel, liefen sie schnell zu ihr und halfen ihr, sich aufzusetzen. Als Ayla den besorgten Ausdruck auf ihren Gesichtern sah, war sie erleichtert.
»Wasser«, sagte sie. »Durst.«
»Geben wir ihr zu trinken«, sagte Jeviva. Sie hatte das Blut an Aylas Beinen und an der Kleidung bemerkt, sagte aber nichts.
Lorigan öffnete seinen Wasserbeutel und reichte ihn ihr. Ayla trank so gierig, dass sie in ihrer Hast nicht alles schlucken konnte und Wasser ihr aus dem Mund rann. So köstlich hatte Wasser noch nie geschmeckt. Als sie schließlich innehielt, lächelte sie, gab den Beutel aber nicht zurück.
»Danke. Ich war kurz davor, das Wasser von den Wänden zu lecken.«
Lorigan lächelte. »So etwas Ähnliches ist mir auch schon einmal passiert.«
»Woher habt ihr gewusst, wo ich war? Und dass ich herauskommen würde?«, fragte Ayla.
»Ich sah den Wolf in diese Richtung laufen.« Forason deutete mit dem Kopf auf das Tier. »Als ich das Marthona sagte, meinte sie, du seist wahrscheinlich in dieser Höhle. Sie hat uns aufgetragen, hier auf dich zu warten. Sie meinte, du würdest vielleicht Hilfe brauchen. Seitdem ist immer einer von uns hier gewesen. Jeviva und Lorigan sind gerade gekommen, um mich abzulösen.«
»Ich habe ein paar Zelandonia von ihrer Berufung zurückkommen sehen. Einige waren so entkräftet, dass sie nicht mehr laufen konnten. Andere sind gar nicht zurückgekehrt«, sagte Jeviva. »Wie geht es dir?«
»Ich bin sehr müde«, sagte Ayla. »Und ich habe immer noch Durst.« Sie trank noch einmal vom Wasserbeutel, dann reichte sie ihn Lorigan zurück. Als sie den Arm sinken ließ, rutschte der Tragebeutel herunter, den sie in der Höhle gefunden hatte. Sie hatte ihn völlig vergessen. Jetzt, bei Tageslicht, sah sie, dass er mit ungewöhnlichen Mustern bemalt war. Sie hielt ihn hoch. »Den habe ich dort in der Höhle gefunden. Weiß jemand von euch, wem er gehört? Vielleicht hat jemand ihn weggesteckt und dann vergessen.«
Lorigan und Jeviva warfen sich einen Blick zu, dann sagte Lorigan: »Ich habe ihn bei Madroman gesehen.«
»Hast du hineingeschaut?«, fragte Jeviva.
Ayla lächelte. »Ich habe nichts gesehen, ich hatte kein Licht, ich konnte nur tasten.«
»Du
Weitere Kostenlose Bücher