Zyklus der Erdenkinder 06 - Ayla und das Lied der Höhlen
werden bald zurückkommen«, antwortete Proleva. »Dalanar bat mich, dich daran zu erinnern, dass die Lanzadonii dich heute Abend zum Essen erwarten.«
»Ach ja! Er hat mich eingeladen, als ich auf dem Weg zur Versammlung war. Ich glaube, ich ziehe mich um und ruhe mich etwas aus. Kaum zu glauben, wie anstrengend es sein kann, bei einer Versammlung herumzusitzen. Schickst du Jonayla zu mir, wenn sie kommt?«
»Natürlich«, sagte Proleva. Das war mehr als nur eine Versammlung, dachte sie. »Möchtest du etwas essen? Oder vielleicht einen Tee?«
»Ja, gerne, Proleva, aber eigentlich würde ich mich vorher gerne waschen. Schwimmen wäre jetzt schön ... aber ich glaube, damit warte ich noch. Ich sollte erst einmal nach Winnie sehen.«
»Die haben sie mitgenommen. Jondalar meinte, sie würde mit den anderen Pferden mitkommen wollen, und der Auslauf würde ihr nicht schaden.«
»Das stimmt. Außerdem hat Winnie ihre Kinder vermutlich auch vermisst.«
Proleva schaute Ayla nach, wie sie auf die Schlafhütte zuging. Sie sieht wirklich müde aus, dachte sie. Kein Wunder. Sie hat ja auch viel durchgemacht. Eine Fehlgeburt, und jetzt ist sie unsere neueste Zelandoni geworden ... und sie ist berufen worden, was immer das heißen mag.
Proleva hatte gesehen, was es bedeutete, der Geisterwelt zu nahe zu kommen. Das hatten alle. Jedes Mal, wenn jemand schwer verletzt wurde etwa, oder noch erschreckender, wenn jemand eine unerklärliche, lebensgefährliche Krankheit hatte, dann war er der nächsten Welt sehr nahe. Der Gedanke, dass ein Mensch absichtlich in Kontakt mit dieser Welt trat, um der Mutter dienen zu können, war für sie unvorstellbar. Unwillkürlich schauderte sie. Sie war dankbar, dass sie niemals eine derart grauenvolle Erfahrung machen musste. Sie wusste zwar, dass eines Tages jeder den furchterregenden Ort aufsuchen musste, doch hatte sie nicht den geringsten Wunsch, den Zelandonia anzugehören.
Und dann haben sie und Jondalar auch noch Probleme, dachte Proleva. Er geht ihr aus dem Weg. Ich habe gesehen, wie er kehrtmacht, sobald er sie sieht. Und ich weiß auch, weshalb. Er schämt sich. Sie hat ihn mit Marona erwischt, und jetzt wagt er nicht, ihr unter die Augen zu treten. Einen schlechteren Zeitpunkt könnte es nicht geben. Im Moment braucht Ayla jede Unterstützung, die sie bekommen kann. Vor allem seine.
Wenn er nicht wollte, dass Ayla von seiner Beziehung mit Marona erfährt, hätte er nicht wieder mit ihr anfangen dürfen, auch wenn sie sich ihm nach Kräften aufgedrängt hat. Er wusste doch, wie Ayla darauf reagieren würde. Wenn er wirklich eine Frau brauchte, hätte er sich eine andere suchen sollen. Schließlich könnte er immer noch nahezu jede Frau hier beim Sommertreffen haben. Das wäre dieser Marona nur recht geschehen. Sie ist so leicht zu durchschauen, das hätte sogar ihm auffallen müssen.
So gern Proleva den jüngeren Bruder ihres Gefährten hatte, bisweilen war sie wütend auf ihn.
»Mutter! Mutter! Bist du endlich wieder da? Proleva hat gesagt, du bist hier. Du hast gesagt, wir würden heute zusammen ausreiten, und ich habe gewartet und gewartet«, beschwerte sich Jonayla. Der Wolf, der nach ihr ins Zelt stürmte, versuchte ebenso aufgeregt, Aylas Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.
Sie drückte das Mädchen fest an sich, dann packte sie den Kopf des großen Raubtiers und wollte ihr Gesicht an seinem reiben, aber ihre Zeichen waren noch wund, und so umarmte sie ihn nur. Er begann, die Verletzung zu beschnüffeln, doch sie schob ihn fort. Daraufhin trabte er zu seiner Futterschüssel, fand einen Knochen, den Proleva ihm hineingelegt hatte, und zog sich auf seinen Schlafplatz zurück.
»Es tut mir leid, Jonayla«, sagte Ayla. »Ich wusste nicht, dass die Versammlung mit den Zelandonia so lange dauern würde. Ich verspreche dir, dass wir das ein anderes Mal nachholen, aber morgen eher nicht.«
»Ist schon gut, Mutter. Bei den Zelandonia dauert alles wirklich immer furchtbar lange. Sie haben einen ganzen Tag gebraucht, uns Lieder und Tänze und solche Sachen beizubringen. Sie haben uns gezeigt, wo wir stehen und was für Schritte wir machen müssen. Und ich war ja reiten, zusammen mit Jonde.«
»Das hat Proleva mir erzählt. Das freut mich, ich weiß doch, wie gerne du reiten wolltest«, sagte Ayla.
»Tut das weh, Mutter?« Jonayla deutete auf Aylas Stirn.
Ayla war ein wenig verblüfft, dass ihre Tochter das Zeichen bemerkte. »Nein, jetzt nicht mehr. Zuerst schon ein bisschen, aber nicht
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