Zyklus der Erdenkinder 06 - Ayla und das Lied der Höhlen
aber nicht, weil sie zu beschäftigt gewesen wäre. Er hielt sich von ihr fern, und das wusste sein Bruder auch.
»Offenbar planen sie etwas wirklich Großes. Zelandoni hat sich ausführlich mit Proleva beratschlagt, und sie erzählte mir, die Zelandonia wollen ein ganz großes, aufwendiges Fest feiern. Sie haben sogar mit Laramar gesprochen, er soll sie mit seinem Gebräu beliefern. Wir stellen eine Jagdgruppe zusammen, werden wohl ein oder zwei Tage fort sein. Möchtest du mitkommen?«, fragte Joharran.
»Ja«, antwortete Jondalar, ohne zu überlegen und so rasch, dass sein Bruder ihm einen fragenden Blick zuwarf. »Sehr gerne.«
Hätte er klar denken können, wäre Jondalar vielleicht eingefallen, was Ayla ihm bei ihrem Wiedersehen gesagt hatte, aber er hatte an nichts anderes denken können als daran, dass sie ihn mit Marona entdeckt hatte. Unter den gegebenen Umständen brachte er es nicht über sich, einfach neben ihr in das Schlaffell zu kriechen. Er wusste nicht einmal, ob sie das zulassen würde. Er war sicher, dass er sie verloren hatte, und scheute sich davor, das endgültig zu hören.
Er glaubte, auf Prolevas Frage hin eine einleuchtende Ausrede vorgebracht zu haben, warum er auch in der Nacht zuvor nicht ins Lager zurückgekehrt war. In Wirklichkeit hatte er neben der Pferdeumfriedung geschlafen, mit den Pferdedecken zum Wärmen und als Unterlage die Lederhaut, die er und Marona am Schwimmplatz benutzt hatten. Aber wenn er noch viel länger außerhalb schlief, würde das ganze Lager neugierig werden. Auf Jagd zu gehen, würde das Problem zumindest für die nächsten Nächte lösen. Weiter wollte er ohnehin nicht denken.
Ayla bemühte sich zwar, so zu tun, als wäre alles in bester Ordnung, und Jondalar glaubte, niemand würde bemerken, dass er ihr aus dem Weg ging, doch in Wirklichkeit wussten mittlerweile fast alle Angehörigen der Neunten Höhle, dass es zwischen dem Paar nicht zum Besten stand, und viele konnten sich auch denken, warum. Seine heimlichen Treffen mit Marona waren nicht annähernd so geheim, wie er geglaubt hatte. Für die meisten Menschen war er einfach diskret genug gewesen, und sie ignorierten die Affäre. Doch die Nachricht, dass das früher so liebevolle Paar seit Aylas Ankunft nicht einmal mehr die Schlafstatt teilte, und das, obwohl Marona in ein anderes Lager gezogen war, hatte sich rasch herumgesprochen.
Über solche Gerüchte stellten die Leute nur allzu gern Mutmaßungen an. Der Umstand, dass Ayla jetzt die Tätowierung einer Zelandoni trug, was nicht umgehend verkündet worden war, und dass Vorbereitungen für ein großes Fest im Gang waren, lieferte den Spekulationen nur neue Nahrung. Alle vermuteten, dass die Feier etwas mit der neuen Zelandoni zu tun hatte, aber niemand wusste Genaueres. Normalerweise ließ der eine oder die andere Zelandoni einem interessierten Gesprächspartner gegenüber eine Andeutung fallen, aber dieses Mal bewahrten sie alle Stillschweigen. Einige Leute behaupteten sogar, nicht einmal die Gehilfen würden den eigentlichen Grund für das große Fest kennen, obwohl alle natürlich so taten, als wären sie bestens informiert.
Jondalar hatte von den Plänen für die Feier nur am Rande gehört, und bis Joharran ihn aufforderte, mit auf die Jagd zu kommen, hatte er sich auch nicht darum gekümmert. Er betrachtete die Jagd lediglich als guten Vorwand, das Lager eine Weile zu verlassen. Marona hatte er ein paarmal gesehen. Als sie von den Gerüchten über die Entfremdung zwischen Ayla und ihm gehört hatte, war sie sofort zu ihm gekommen, aber er hatte jegliches Interesse an ihr verloren. Wenn sie ihn direkt ansprach, antwortete er mit kalter Höflichkeit. Aber sie war nicht die Einzige, die herauszufinden versuchte, wie ernst der Bruch tatsächlich war. Auch Brukeval kam zum Lagerplatz der Neunten Höhle.
Brukeval war zwar mit der Neunten Höhle zum Sommertreffen gereist, doch war er längst in eine der Randhütten für Männer gezogen. Einige waren für die jungen Männer vorgesehen, die erst kürzlich die Ersten Riten durchlaufen hatten, in anderen schliefen ältere Männer, die noch nicht verbunden waren oder zwischen zwei Gefährtinnen standen, oder sich das zumindest wünschten. Brukeval hatte sich nie verbunden.
Immer hatte er insgeheim Angst gehabt, er könnte abgewiesen werden, deswegen hatte er nie eine Frau gefragt. Außerdem interessierten ihn die Frauen, die infrage kämen, nicht im Geringsten. Da er keine eigene Familie und keine Kinder hatte,
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