Zyklus der Erdenkinder 06 - Ayla und das Lied der Höhlen
Mittagsmahlzeit der Jäger zurückgelassen, die sich auf dem Lagerplatz der Neunten Höhle versammelten. Unterwegs würde sich die Jagdgruppe selbst versorgen müssen. Die meisten hatten neben ihrer Ausrüstung, dem Zelt und dem Schlaffell auch getrocknete Reisenahrung eingepackt, doch gingen sie davon aus, dass sie sich zusätzlich frische Nahrung erlegen und sammeln würden.
Da Brukeval gekommen war und als erprobter Jäger galt, lud Joharran ihn ein, sich ebenfalls an der Jagd zu beteiligen. Brukeval zögerte nur einen Moment. In Anbetracht der Spannungen zwischen Ayla und Jondalar überlegte er sich, dass er im Lauf der Jagd, die meist in einem kameradschaftlichen Geist verlief, vielleicht mehr erfahren würde.
Brukeval hatte nie vergessen, wie Ayla alle bloßgestellt hatte, als Marona sie mit List dazu gebracht hatte, auf ihrem eigenen Begrüßungsfest in völlig unangemessener Kleidung zu erscheinen. Jetzt trugen, wie er bemerkte, alle Frauen solche engen, kurzen Beinkleider. Er erinnerte sich, wie herzlich Ayla zu ihm gewesen war, als sie sich das erste Mal begegnet waren, ihr freundliches Lächeln, fast als würde sie ihn bereits kennen, und gar nicht zögerlich oder zurückhaltend wie die meisten anderen Frauen. Und er träumte von ihr in ihrem außergewöhnlichen, wunderschönen Hochzeitsgewand. Er stellte sich vor, wie er sie auszog, und nach all diesen Jahren träumte er immer noch davon, wie es wäre, wenn er an Jondalars statt wäre und auf weichen Fellen neben ihr läge.
Ayla war immer freundlich zu ihm gewesen, doch seit dem ersten Abend begegnete sie ihm mit einer gewissen Zurückhaltung, die er bei ihrer Ankunft nicht gespürt hatte. Im Lauf der Jahre hatte sich Brukeval immer mehr in sich selbst verschlossen, aber den beiden war nicht bewusst, dass er sehr viel über Jondalars und Aylas Leben als Paar herausgefunden hatte, selbst intime Einzelheiten. Unter anderem wusste er, dass Jondalar sich seit Längerem mit Marona paarte. Er wusste auch, dass Ayla nie einen anderen wählte, nicht einmal bei Festen zu Ehren der Mutter, und dass sie ahnungslos war, was Jondalar und Marona betraf.
Brukeval kehrte in die Randhütte zurück, um seine Jagdausrüstung zu holen, und als er wieder im Lager der Neunten Höhle eintraf, freute er sich regelrecht auf die Jagd. Seit er bei den Männern wohnte, mit denen er momentan den Schlafplatz teilte, war er nicht mehr aufgefordert worden, teilzunehmen. Für gewöhnlich machten sich Jagdgruppen nicht die Mühe, Männer aus der Randhütte einzuladen, und sie selbst gingen selten aus eigenem Antrieb jagen, abgesehen von Brukeval, der über die Jahre immer wieder alleine losgezogen war und gelernt hatte, sich selbst mit frischen Nahrungsmitteln zu versorgen, wenn ihn die Lust überkam.
Die anderen Männer erbaten sich meist von der einen oder anderen Höhle etwas zu essen, oder sie kehrten zum Lagerplatz ihrer eigenen Höhle zurück. Madroman brauchte sich um Mahlzeiten ohnehin nicht zu sorgen, er aß bei den Zelandonia, die von den Höhlen traditionell gut versorgt wurden, in der Regel als Gegenleistung für allgemeine Dienste, aber auch für besondere Aufgaben. Laramar hatte ebenfalls eigene Bezugsquellen: Er handelte mit seinem Gebräu und konnte sich nicht über einen Mangel an Tauschwilligen beklagen.
Häufig bekamen die jüngsten Männer, die gemeinsam in Randhütten wohnten, Nahrungsmittel oder eine Mahlzeit von dem einen oder anderen Lager, aber sie versuchten auch, ihren Beitrag zu leisten und gingen auf die Jagd, beteiligten sich an einer Gemeinschaftsarbeit oder halfen beim Sammeln von Früchten. Und obwohl diese Jungen, die gerade erst zum Mann geworden waren, bisweilen Probleme verursachten, wurde ihr Verhalten meist als »Ausgelassenheit« gedeutet und toleriert, insbesondere von älteren Männern, die sich an ihre eigene Jugend erinnerten. Bereiteten sie allerdings zu viele Schwierigkeiten, konnte das den Besuch von Höhlen-Anführern zur Folge haben, die aufgrund ihrer Autorität die Macht besaßen, Strafen zu verhängen, schlimmstenfalls die Verbannung vom Lagerplatz des Sommertreffens.
Jeder wusste, dass die Männer von Brukevals Randhütte - wie sie mittlerweile hieß - nicht mehr jung und selten aufzufinden waren, wenn es Arbeit zu tun gab. Doch beim Sommertreffen mangelte es nie an Nahrungsmitteln, und niemand, der zur Essenszeit auftauchte, wurde fortgeschickt, auch wenn er nicht unbedingt willkommen war. Die Männer dieser Randhütte waren schlau
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