Zyklus der Erdenkinder 06 - Ayla und das Lied der Höhlen
ihrem Feuerstein entzünden, als sie zwei Zelandonia den Weg heraufkommen sah.
Beim Anblick der beiden Doniers gewann Ayla ihre Fassung ein wenig zurück. Sie war noch neu in ihren Reihen und wollte nicht deren Respekt verlieren. Nachdem sie sich begrüßt hatten, unterhielten sie sich über Belanglosigkeiten, dann hielt eine von ihnen die Lampe, während Ayla mit ihrem Feuerstein auf dem Boden ein kleines Feuer entfachte. Sobald die Lampe brannte, löschte sie die Glut mit Erde, und die drei traten in die Höhle.
Kaum hatten sie den warmen Eingangsbereich passiert und drangen in die tiefe Dunkelheit vor, kühlte sich die Luft auf die übliche Höhlentemperatur ab. Die drei Frauen sprachen nur wenig, während sie sich zwischen den Steinen auf dem rutschigen Lehm mit nur einer Lampe als Lichtquelle einen Weg suchten. Bis sie schließlich die größere Kammer erreichten, hatten sich ihre Augen so weit an die Dunkelheit gewöhnt, dass der Schein der vielen Steinlampen sie regelrecht blendete. Die meisten Zelandonia waren bereits eingetroffen und warteten nur auf Ayla.
»Du bist gekommen, Zelandoni der Neunten Höhle«, sagte die Erste. »Hast du alle Vorbereitungen getroffen, die du für notwendig erachtest?«
»Nicht ganz«, antwortete Ayla. »Ich muss mich noch umziehen. Während der Clan-Zeremonie, wenn ich die Wurzeln zubereite, wäre ich eigentlich nackt bis auf mein Amulett und die Farben, mit denen der Mog-ur mich bemalte. Aber in der Höhle ist es zu kalt, um lange nackt zu bleiben, außerdem waren die Mog-urs bekleidet, wenn sie die Flüssigkeit tranken, also werde ich es auch so halten. Ich möchte den Regeln der Clan-Zeremonie so genau wie möglich folgen, deshalb habe ich beschlossen, ein Wickelgewand in Art der Clan-Frauen tragen. Für meine Totem-Symbole habe ich ein Clan-Amulett gemacht, und zum Beweis, dass ich eine Medizinfrau bin, habe ich meinen Clan-Medizinbeutel bei mir, aber das Wichtigste sind die Gegenstände in meinem Amulett. Daran erkennen die Clan-Geister, dass ich nicht nur eine Frau des Clans bin, sondern auch eine Medizinfrau.«
Unter den interessierten Blicken der Zelandonia zog Ayla sich aus, wickelte sich in die weiche, geschmeidige Rothirschhaut und band sie mit der langen Schnur so um sich fest, dass Taschen und Falten entstanden, in denen sie Gerätschaften aufbewahren konnte. Dabei dachte sie an die vielen Dinge, die nicht dem Clan-Ritual entsprachen, angefangen damit, dass sie die Wurzeln für sich selbst und nicht für Mog-urs zubereitete. Sie war kein Mog-ur, das konnte keine Frau des Clans sein, und sie kannte die Rituale nicht, mit denen die Männer sich auf diese Zeremonie vorbereiteten, aber sie war eine Zelandoni und hoffte, das würde etwas zu bedeuten haben, wenn sie die Geisterwelt erreichte.
Aus ihrem Medizinbeutel holte sie ein kleines Säckchen, dessen tiefrote Ockerfarbe, die heiligste Farbe des Clans, im Schein der vielen Lampen gerade auszumachen war. Aus dem Tragebeutel nahm sie eine Holzschale, die sie ursprünglich angefertigt hatte, um Marthona den Clan-Stil zu zeigen, und mit ihrem Sinn für Schönheit hatte die ältere Frau ihre Schlichtheit und die Handwerkskunst bewundert. Eigentlich hatte Ayla sie ihr schenken wollen, jetzt war sie jedoch froh, sie behalten zu haben. Es mochte zwar nicht die besondere Schale sein, die zahlreiche Generationen von Izas Ahnen ausschließlich für diese Wurzel verwendet hatten, doch zumindest war es eine Holzschale, die auf die mühsame Art des Clans angefertigt worden war.
»Ich werde etwas Wasser brauchen«, sagte Ayla, als sie die Knoten des roten Säckchens löste und die Wurzeln, die darin lagen, auf ihre Handfläche schüttete.
»Darf ich sie sehen?«, bat Zelandoni.
Ayla hielt ihr die Hand hin, doch die Wurzeln sahen aus wie jede andere getrocknete Wurzel. »Ich weiß nicht, wie viel ich verwenden soll«, sagte Ayla und nahm zwei Stückchen. Sie hoffte, das wäre in etwa die richtige Menge. »Ich habe das nur zwei Mal gemacht, und ich habe nicht Izas Erinnerungen.«
Einige Zelandonia hatten sie bereits vom Clan-Gedächtnis reden hören, doch die meisten wussten überhaupt nicht, wovon sie da sprach. Ayla hatte versucht, der Einen, Die Die Erste Ist, die Vorstellung zu erklären, aber da sie selbst nicht genau wusste, was es mit diesem Gedächtnis auf sich hatte, fiel es ihr sehr schwer, es jemand anderem zu erklären.
Jemand goss Wasser in ihre Holzschale, und Ayla trank ein wenig, um den Mund zu befeuchten.
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