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Zyklus der Erdenkinder 06 - Ayla und das Lied der Höhlen

Zyklus der Erdenkinder 06 - Ayla und das Lied der Höhlen

Titel: Zyklus der Erdenkinder 06 - Ayla und das Lied der Höhlen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean M. Auel
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Sie erinnerte sich, wie trocken die Wurzeln, wie schwer sie zu kauen waren. »Ich bin bereit«, sagte sie, und bevor sie es sich anders überlegen konnte, steckte sie die Wurzeln in den Mund und begann zu kauen.
    Es dauerte sehr lange, bis sie weich genug waren, damit Ayla sie durchbeißen konnte, und sosehr sie sich bemühte, keinen Speichel hinunterzuschlucken, fiel es ihr doch schwer, und da sie die Flüssigkeit ohnehin trinken würde, dachte sie, dürfte es vielleicht nicht allzu viel ausmachen. Sie kaute und kaute ohne Unterlass, eine scheinbare Ewigkeit, doch schließlich hatte sie eine breiige Masse im Mund, die sie in die Schale spuckte. Sie verrührte sie mit dem Wasser und sah, wie sich die Flüssigkeit milchig weiß färbte.
    Zelandoni sah ihr über die Schulter. »Soll das so sein?« Sie schnupperte, um den Geruch wahrzunehmen.
»Ja«, sagte Ayla. Sie nahm den uralten Geschmack im Mund wahr. »Möchtest du daran riechen?«
»Es riecht urzeitlich«, sagte die Frau. »Wie ein tiefer, kühler, nasser Wald voll Moos und Pilzen. Darf ich mal kosten?«
Ayla wollte die Bitte ablehnen. Für den Clan war der Trank so heilig, Iza hatte ihn nicht einmal machen dürfen, um ihr zu zeigen, wie man ihn zubereitete. Einen Moment war Ayla entsetzt über Zelandonis Ansinnen. Aber dann wurde ihr klar, wie weit diese gesamte Zeremonie von allem entfernt war, was der Clan jemals tun würde, deshalb war es ohnehin gleichgültig, ob Zelandoni davon probierte. Ayla hielt ihr die Schale an die Lippen und sah, dass sie weit mehr als nur einen kleinen Schluck trank. Sie zog die Schale fort, ehe die Erste allzu viel davon zu sich nehmen konnte.
Dann hob sie die Schale an ihre eigenen Lippen und trank die Flüssigkeit rasch leer, damit auch nichts übrig blieb, von dem jemand anders kosten könnte.
»Wann sollen wir anfangen, für dich zu singen?«, fragte die Erste.
Ayla hatte das Singen beinahe vergessen. »Ihr hättet längst anfangen sollen.« Ihre Worte waren schon nicht mehr ganz klar verständlich.
Auch die Erste spürte bereits die Wirkung und bemühte sich, den Zelandonia beherrscht das Zeichen zu geben, den Gesang anzustimmen. Die Wurzel ist sehr stark, dachte sie, und ich habe nur einen Schluck genommen. Wie muss es Ayla ergehen nach der Menge, die sie getrunken hat?
Der uralte Geschmack kam Ayla vertraut vor und rief Gefühle wach, die sie nie vergessen würde, Erinnerungen an die anderen Male, als sie den Trank gekostet hatte, und an längst vergangene Zeiten. Sie spürte die kühle Feuchtigkeit eines tiefen Waldes, als wäre sie von ihm umfangen, die Bäume so riesenhaft, dass sie nur mühsam einen Weg um sie herum und zwischen ihnen hindurch fand, während sie, gefolgt vom Pferd, den steilen Berghang hinaufstieg. Feucht schimmernde, grüngraue Flechten hingen von den Bäumen, der Boden, die Felsbrocken und die Stämme umgestürzter Bäume waren von einem unaufhörlichen Moosteppich bedeckt, dessen Farben von leuchtendem Hellgrün über dunkles Kieferngrün bis hin zu erdigem Braungrün changierten.
Ayla roch Pilze von allen Formen und Größen: zerbrechliche weiße Flügel, die auf umgestürzten Bäumen wucherten, dicke, holzige Sockel, die aus alten Stümpfen wuchsen, große, dichte, schwammartige mit braunen Kappen, winzige mit dünnen Stielen. Da gab es honigfarbene dichte Klumpen, kompakte Kreise, leuchtend rote Hüte mit weißen Flecken, große, glatte Schirme, die dickflüssig schwarz zerrannen, gespenstisch weiße, vollkommen geformte Kappen des Todes und viele andere mehr. Und Ayla kannte sie alle, schmeckte sie alle, spürte sie alle.
Sie war im weitflächigen Delta eines gewaltigen Flusses, wurde von einem Strom schlammbraunen Wassers fortgetragen, durchbrach dichtes, hohes Schilf und große Binsen und schwimmende Inseln mit Bäumen und Wölfen, die darauf herumkletterten, sie drehte sich in einem kleinen, lederumspannten Rundboot immerfort im Kreis, wogte empor und trieb auf einem Kissen aus Luft.
Ayla merkte nicht, dass die Knie unter ihr nachgaben, als ihr Körper erschlaffte und zu Boden sank. Mehrere Zelandonia hoben sie auf und trugen sie zu einer Schlafstatt, die Zelandoni vorausblickend für sie in die Höhle hatte bringen lassen. Beinahe wünschte die Erste, sie hätte auch eine solche Lagerstatt, und tastete nach ihrem soliden, gut gepolsterten Rohrschemel. Unter Aufbietung aller Kräfte gelang es ihr, bei Bewusstsein zu bleiben und Ayla zu beobachten, in ihrem Hinterkopf regte sich eine erste

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