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Zyklus der Erdenkinder 06 - Ayla und das Lied der Höhlen

Zyklus der Erdenkinder 06 - Ayla und das Lied der Höhlen

Titel: Zyklus der Erdenkinder 06 - Ayla und das Lied der Höhlen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean M. Auel
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worden, niemand hätte einen weiteren Gedanken an ihn verschwendet, denn der Clan hatte ihn als missgestaltet betrachtet. Als sie mit ihm wegging und ihn versteckte, wohl wissend, dass sie ebenfalls sterben könnte, hatten Brun und Creb sich eines Besseren besonnen.
    Das farbige Pulver haftete an dem klaren Quarzkristall, verfärbte ihn aber nicht. Dieser Stein war das Zeichen, dass sie die richtige Entscheidung getroffen hatte, nicht mehr nach ihrem Volk zu suchen und eine Weile im Tal der Pferde zu bleiben. Der schwarze Manganstein bereitete ihr immer ein gewisses Unbehagen. Sie nahm ihn in die Hand und schloss die Finger darum. Er enthielt die Geister aller Angehörigen des Clans. Sie hatte einen Teil ihres Geistes dafür eingetauscht, damit alle, denen sie später vielleicht einmal das Leben rettete, ihr nicht verpflichtet waren, weil Ayla bereits einen Teil ihres Geistes besaß.
    Als Iza starb, hatte Creb, der Mog-ur, ihr den Medizinfrauen-Stein abgenommen, ehe sie beigesetzt wurde, damit sie nicht den ganzen Clan mit sich in die Welt der Geister nahm. Doch als Broud Ayla mit dem Tod verfluchte, hatte niemand an den Stein gedacht. Goov war noch nicht allzu lange Mog-ur, und alle waren derart entsetzt über Brouds Fluch, dass niemand daran dachte, ihr den Stein abzuverlangen, und sie selbst hatte vergessen, ihn zurückzugeben. Was würde mit dem Clan passieren, wenn sie den Stein bei ihrer Reise in die nächste Welt noch bei sich hatte?
    Sie gab alle Totemzeichen in den neuen Beutel. Dort würden sie von nun an bleiben, beschloss sie. Es fühlte sich richtig an, ihre Clan-Totemzeichen in einem Clan-Amulettbeutel aufzubewahren. Als sie die Zugschnur festzurrte, fragte sie sich wieder einmal, weshalb ihr Totem ihr kein Zeichen gegeben hatte, als sie beschloss, die Mamutoi zu verlassen und mit Jondalar zu ziehen. War sie zu dem Zeitpunkt bereits ein Kind der Mutter gewesen? Hatte die Mutter ihrem Totem gesagt, sie brauche kein Zeichen mehr? War das Zeichen, das ihr gegeben wurde, derart unauffällig, dass sie es nicht erkannt hatte? Oder - und dieser erschreckende Gedanke kam ihr zum ersten Mal - hatte sie die falsche Entscheidung getroffen? Ein kalter Schauer überlief sie. Zum ersten Mal seit langer Zeit umfasste Ayla ihr Amulett und bat den Geist des Großen Höhlenlöwen lautlos um seinen Schutz.
    Als sie das Zelt verließ, trug Ayla eine zusammengefaltete Hirschhaut bei sich, einen vollgepackten ledernen Tragesack und ihren Clan-Medizinbeutel. Mehrere Leute saßen um das Feuer, und sie winkte ihnen zu, allerdings nicht mit der üblichen herbeiwinkenden Geste, bei der die Handfläche zum Winkenden zeigte und die besagte, man würde sich bald wiedersehen. Vielmehr hatte sie die Hand mit der Handfläche nach außen erhoben und bewegte sie leicht hin und her.
    Während Ayla den Bach entlang flussaufwärts ging - diese Abkürzung zur Höhle hatte sie vor einigen Jahren entdeckt
-, überlegte sie sich, ob sie die Zeremonie wirklich durchführen sollte. Sicher, Zelandoni wäre enttäuscht, ebenso wie die anderen Zelandonia, die sich darauf eingestellt hatten, bei dem Ritual zu helfen, doch es war gefährlicher, als alle glaubten. Beim Gespräch mit Zelandoni am Tag zuvor war es Ayla in ihrer Niedergeschlagenheit gleichgültig gewesen, ob sie sich in der schwarzen Leere verlor, doch an diesem Morgen ging es ihr etwas besser, vor allem, nachdem sie gebadet und Jonayla und Wolf gesehen hatte, und natürlich auch Marthona und Proleva. Jetzt war ihr bei dem Gedanken, sich der erschreckenden schwarzen Leere zu stellen, wieder beklommen zumute. Vielleicht sollte sie Zelandoni sagen, sie hätte es sich anders überlegt.
    Bei den Vorbereitungen hatte sie nicht über die Gefahren nachgedacht, denen sie sich aussetzte, doch ihr Unvermögen, alle Rituale korrekt durchzuführen, bedrückte sie. Sie waren ein wesentlicher Aspekt der Clan-Zeremonien, während die Zelandonii im Gegensatz dazu Abweichungen bereitwillig tolerierten. Selbst die Worte des Liedes von der Mutter variierten von Höhle zu Höhle - was unter den Zelandonia ein beliebtes Gesprächsthema war -, dabei war dieses Lied die wichtigste aller Legenden der Alten.
    Wäre eine solche Legende heiliger Teil einer Clan-Zeremonie, müsste man sie sich wortgenau einprägen und jedes Mal auf genau dieselbe Art vortragen, zumindest bei allen Clans, die regelmäßig unmittelbar Kontakt miteinander hatten. Selbst die Version von Clans aus entfernteren Regionen wäre sehr

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