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Zyklus der Erdenkinder 06 - Ayla und das Lied der Höhlen

Zyklus der Erdenkinder 06 - Ayla und das Lied der Höhlen

Titel: Zyklus der Erdenkinder 06 - Ayla und das Lied der Höhlen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean M. Auel
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gezogen wurde. Auch sie weinte. Die Stimmen wurden schwächer, als sangen sie aus weiter Ferne. Ayla bewegte sich wieder, war hoch über der endlosen Grasebene, auf der sich große Herden tummelten. Auerochsen donnerten dahin, Pferde galoppierten ihnen nach, Wisente und Hirsche folgten, auch Steinböcke. Ayla ging näher, konnte schon einzelne Tiere ausmachen, diejenigen, die sie gesehen hatte, als sie zu den Zelandonia berufen wurde, und die Verkleidungen, die sie während der Zeremonie getragen hatten, als sie die neue Gabe der Mutter ihren Kindern geschenkt hatten, als Ayla die letzte Strophe des Liedes von der Mutter rezitierte.
Zwei Wisentbullen, die aneinander vorbeistürmten, große Auerochsenbullen, die aufeinander zuhielten, eine gewaltige Kuh, die beinahe durch die Luft flog, und eine weitere, die ein Kalb zur Welt brachte, ein Pferd, das am Ende eines Durchlasses die Felswand hinabstürzte, viele Pferde, die meisten farbig, braun und rot und schwarz, und Winnie mit dem gefleckten Fell über Rücken und Kopf und den zwei steckenartigen Geweihen.
    M elandoni begleitete Ayla nicht auf ihrer geheimnisvollen Reise ins Innere, aber sie ahnte, was geschah, und fühlte sich davon angezogen. Hätte sie mehr von der Wurzel getrunken, wäre sie vielleicht mit Ayla fortgerissen worden und hätte sich ebenfalls in der vom Trank heraufbeschworenen Landschaft verloren. Und eine Weile büßte auch sie die Kontrolle über ihre mentalen Kräfte ein und hatte mit Schwierigkeiten zu kämpfen.
    Die Zelandonia wussten nicht genau, was da passierte. Ayla war offenbar nicht mehr bei Bewusstsein, und auch die Erste schien nahe davor, ohnmächtig zu werden. Sie fiel nicht in einen richtigen Schlaf, sackte aber immer wieder nach vorn, ihre Augen wurden trüb, als blickten sie in unsichtbare Ferne. Dann riss die korpulente Frau sich wieder zusammen und sagte etwas, das nur selten Sinn ergab. Allem Anschein nach hatte sie das Experiment nicht unter Kontrolle, was an sich schon ungewöhnlich war, und sie war eindeutig nicht Herrin ihrer selbst, was alle beunruhigte. Die Zelandonia, die sie am besten kannten, machten sich die größten Sorgen, wollten ihre Angst vor den anderen jedoch verbergen.
    Mit schierer Willenskraft rüttelte die Erste sich wach. »Kalt ... kalt ...« Dann sackte sie mit trüben Augen wieder zusammen. Als sie sich das nächste Mal aufrappelte, rief sie: »Decken ... Fell ... Decken für Ayla ... kalt ... so kalt. Wärme ...« Dann versank sie wieder in sich selbst.
    Sie hatten einige wärmende Decken mitgebracht, weil es in Höhlen unweigerlich kühl war, und Ayla hatten sie bereits zugedeckt, doch der Zelandoni der Elften Höhle beschloss, ein weiteres Fell obenauf zu legen. Als er dabei zufällig die Haut der jungen Frau berührte, schaute er erschrocken auf.
    »Sie ist kalt, fast so kalt wie der Tod«, sagte er.
»Atmet sie?«, fragte der Dritte.
Der Elfte beugte sich über Ayla und beobachtete sie eingehend, nahm eine leichte Bewegung der Brust wahr und spürte einen leisen Atemhauch aus ihrem kaum geöffneten Mund. »Ja, sie atmet, aber sehr flach.«
    »Sollen wir vielleicht heißen Tee machen?«, fragte der
    Fünfte.
»Ich denke, ja, für beide«, antwortete der Dritte. »Einen anregenden oder einen beruhigenden?« »Ich weiß nicht. Beides könnte die Wirkung der Wurzel
    verstärken«, meinte der Dritte.
»Versuchen wir doch, die Erste zu fragen. Das muss sie
entscheiden«, beschloss der Elfte.
Die beiden anderen nickten. Alle drei gingen zu der massigen Frau, die vorübergebeugt auf ihrem Schemel hockte.
Der Dritte legte ihr eine Hand auf die Schulter und schüttelte sie sanft, dann etwas fester. Zelandoni fuhr hoch.
»Willst du heißen Tee?«, fragte er.
»Ja! Ja!« Die Erste sprach sehr laut, als würde das Schreien ihr helfen, wach zu bleiben.
»Ayla auch?«
»Ja. Heiß!«
»Anregend oder beruhigend?«, fragte der Elfte, ebenfalls
mit erhobener Stimme. Die Zelandoni der Vierzehnten
Höhle kam herüber, Sorgenfalten auf der Stirn.
»Anre... nein!« Die Erste brach ab, musste sich sichtlich
anstrengen, sich zu konzentrieren. »Wasser! Nur heißes
Wasser!«, rief sie. Sie schüttelte sich im Versuch, wach zu
bleiben. »Helft mir aufstehen!«
»Bist du sicher, dass du stehen kannst?«, fragte der Dritte. »Du darfst nicht stürzen.«
»Helft mir aufstehen! Ich muss wach bleiben. Ayla
braucht ... Hilfe.« Wieder sackte sie zusammen und schüttelte sich dann heftig. »Helft mir aufstehen. Heiß ...

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