Zyklus der Erdenkinder 06 - Ayla und das Lied der Höhlen
Zanacan die Augen weit auf, wie er es immer tat, wenn ihn etwas überraschte.
»Das können wir in der neuen Geschichte verwenden!«, rief er. »Die Tiere. Natürlich nicht genau dieselben, aber die Vorstellung, dass Herdfeuer nach Tieren benannt werden, und Höhlen vielleicht auch, und die Tiere, mit denen sie reist.«
»Ich sagte bereits, dass ihre wahre Geschichte vermutlich besser ist als jede, die wir uns ausdenken könnten«, wiegelte Galliadal ab.
Ayla schenkte Zanacan ein Lächeln. »Würdest du Wolf gerne vorgestellt werden? Ihr alle?«
Die drei jungen Leute waren erstaunt, und Zanacan bekam erneut große Augen. »Wie wird man einem Wolf vorgestellt? Die haben doch keine Namen und Zugehörigkeiten, oder?«
»Das nicht«, erwiderte Ayla, »aber der Grund, warum wir unsere Namen und Zugehörigkeiten nennen, besteht doch darin, mehr voneinander wissen zu wollen, nicht wahr? Wölfe erfahren mehr über Menschen und vieles andere in ihrer Welt durch den Geruch. Wenn du ihn an deiner Hand schnuppern lässt, wird er sich an dich erinnern.«
»Ich weiß nicht so recht. Wäre das gut oder schlecht?«, fragte Kaleshal.
»Wenn ich dich vorstelle, wird er dich als Freund betrachten«, antwortete Ayla.
»Dann sollten wir das tun«, meinte Gallara. »Ich möchte von diesem Wolf nur als Freund betrachtet werden.«
Als Ayla nach Zanacans Hand griff und sie an Wolfs Nase führte, spürte sie den leichte Widerstand, den Drang, sie zurückzuziehen. Aber sobald der junge Mann erkannte, dass nichts Schlimmes passieren würde, waren seine angeborene Neugier und sein Interesse geweckt. »Seine Nase ist kalt und feucht«, stellte er verwundert fest.
»Das bedeutet, dass er gesund ist. Wie sollte sich deiner Meinung nach eine Wolfsnase anfühlen?«, fragte Ayla. »Oder sein Fell? Was glaubst du, wie es sich anfühlt?« Sie führte seine Hand und ließ ihn Wolfs Kopf und sein Fell am Hals und auf dem Rücken streicheln. Mit den beiden anderen jungen Leuten verfuhr sie genauso, wobei viele andere ihnen zusahen.
»Sein Fell ist glatt und rau, und er ist warm«, bemerkte Zanacan.
»Weil er lebt. Lebende Tiere sind warm, zumindest die meisten. Vögel sind sehr warm, Fische sind kühl, Schlangen können beides sein«, erklärte Ayla.
»Woher weißt du so viel über Tiere?«, fragte Gallara.
»Sie ist eine Jägerin, und sie hat fast jede Tierart erbeutet, die es gibt«, erwiderte Jondalar an ihrer Stelle. »Sie kann eine Hyäne mit einem Stein töten, einen Fisch mit der bloßen Hand fangen, und Vögel kommen zu ihr, wenn sie pfeift, aber für gewöhnlich lässt sie sie wieder frei. Erst in diesem Frühling hat sie eine Löwenjagd angeführt und mindestens zwei mit ihrer Speerschleuder getötet.«
»Ich habe die Jagd nicht angeführt.« Ayla runzelte die Stirn. »Das war Joharran.«
»Frag ihn«, meinte Jondalar. »Er behauptet, du hättest die Jagd angeführt. Du warst diejenige, die sich mit Löwen auskennt und weiß, wie man sie jagt.«
»Ich dachte, sie wäre eine Zelandoni, keine Jägerin«, sagte Kaleshal.
»Sie ist noch keine Zelandoni«, verbesserte ihn Galliadal. »Sie ist eine Gehilfin in der Ausbildung, aber wie ich hörte, bereits eine sehr gute Heilerin.«
»Woher kann sie so vieles wissen?«, fragte Kaleshal etwas skeptisch.
»Ihr blieb keine andere Wahl«, erwiderte Jondalar. »Sie verlor ihre Leute, als sie fünf Jahre alt war, wurde von Fremden adoptiert und musste sich deren Art anpassen. Dann lebte sie ein paar Jahre allein, bevor ich sie fand, vielmehr sie mich. Ich war von einem Löwen angefallen worden. Sie rettete mich und behandelte meine Verletzungen. Wenn man in so jungen Jahren alles verliert, muss man sich anpassen und rasch lernen, sonst überlebt man nicht. Sie hat überlebt, weil sie fähig war, so viel zu lernen.«
Ayla hielt sich etwas abseits und streichelte Wolf. Sie hatte den Kopf gesenkt und versuchte nicht zuzuhören. Sie wurde immer verlegen, wenn man über sie redete, als wäre das, was sie getan hatte, eine besondere Leistung. Dann beschlich sie das Gefühl, sich wichtig zu machen, was ihr unangenehm war. Sie hielt sich nicht für wichtig und mochte nicht als fremdartig angesehen werden. Sie war nur eine Frau und eine Mutter, die einen Mann gefunden hatte, den sie liebte, und Menschen ihrer Art, die sie inzwischen größtenteils als eine der Ihren akzeptierten. Einst hatte sie eine gute Clan-Frau sein wollen, jetzt wollte sie nur noch eine gute Zelandonii-Frau sein.
Levela trat zu Ayla und Wolf.
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