verstärken, auch insofern ist die Disco gewissermaßen das natürliche Jagdrevier des Histrio.
Trotzdem ist er nicht glücklich. Denn nach der Verliebtheit kommt die Phase der Intimität, man beginnt, den anderen zu verstehen, sich um ihn zu sorgen, und will von ihm akzeptiert werden. Und genau dieser Übergang fällt dem Histrio schwer: Er ist ja mit großer Bindungsunsicherheit aufgewachsen, und unsicher gebundene Menschen haben Probleme damit, diese Art von Intimität zu entwickeln oder zu ertragen (Buunk, 2001). So bleibt er oft lieber allein, wenngleich – wie die inzwischen entstandene Singleforschung nachweist (vgl. etwa Hertel & Schütz, im Druck) – weniger zufrieden und weniger glücklich, häufiger unter Depressionen leidend, stärker suchtgefährdet und mit einer niedrigeren Lebenserwartung.
Auch die nächste Generation wächst mit einer entsprechenden Vorbelastung heran: »Heute kann ein Kind in eine Paarbeziehung hineingeboren werden, häufig gewünscht, aber nicht geplant, und seine Eltern nehmen die Geburt des Kindes zum Anlaß zu heiraten, so daß auf den Hochzeitsfotos ... die Kinder mit auf dem Bild sind. Das Kind wird nichtehelich geboren, wächst anschließend in der Kernfamilie auf, lebt nach der Trennung der Mutter vom Vater mit seiner alleinerziehenden Mutter, bekommt dann einen sozialen Vater ..., freut sich bald über die Geburt seiner Halbschwester, lebt einige Zeit in einer wirklich glücklichen und für zwei Jahre konfliktarmen Stieffamilie, bis sich seine Mutter wieder ... trennt und nach zwei enthaltsamen Jahren einen neuen Mann gefunden hat, der aber nicht sein Vater sein will und mit dem seine Mutter das ›living apart together‹ lebt. Dieser Junge verläßt früh sein Elternhaus, das eigentlich die meiste Zeit sein Mutterhaus war, um in einer Wohngemeinschaft mit gleichgesinnten Menschen alternative Lebensformen zu erproben, bekommt dann ein erstes Kind mit einer Frau, die nicht in der gleichen Wohnung lebt, zieht mit ihr kurzzeitig zusammen, dann trennen sich beide einvernehmlich und erklären dieses Experiment für gescheitert auf hohem Niveau, dann lebt er mit einer interessanten Frau zusammen, die ein Kind von einem anderen Mann hat, für das er die Vaterrolle einnimmt ...« (Hantel-Quitmann, 2002, S. 32).
Gegenwärtig kann ein Heranwachsender in Deutschland außerhalb der Familie nur noch auf fünf Gruppen von Erwachsenen zurückgreifen: Nachbarn, Eltern von Freunden, Ärzte, Vereinstrainer und (später) Vorgesetzte (Zinnecker et al., 2002). Die historische Beziehungsforschung hat nachgewiesen, daß Kinder im 19. Jahrhundert im Vergleich zu heute mehr Geschwister, mehr Bezugspersonen im Haushalt wie auch engere Beziehungen zu den Verwandten außerhalb der Kernfamilie hatten (Asendorpf & Banse, 2000). Kinder aus Scheidungsfamilien sind später unsicherer in ihrem eigenen Bindungsverhalten, sie gehen mehr sexuelle Kontakte ein, zeigen schlechtere schulische Leistungen und sind weniger hilfsbereit als Kinder aus intakten Familien. Sie sind skeptischer hinsichtlich der Dauer ihrer eigenen Ehe, erwarten weniger Verläßlichkeit von ihren Ehepartnern und werden häufiger selbst auch wieder geschieden (Barber, 1998; Schneewind, 1999).
Die Jugendlichen reagieren auf diese Veränderungen mit den passenden Rationalisierungen, »diffuse Identität« hatten wir es oben genannt. In der Shell -Jugendstudie (Deutsche Shell, 2000) – einer regelmäßig durchgeführten, repräsentativen Umfrage unter jeweils rund 5.000 jungen Menschen von 15 bis 24 Jahren – zeigte sich im Jahr 1999: »Der Reflex auf die Verunsicherungen am Arbeitsmarkt und die Sorge um die eigenen (späteren) Erwerbsmöglichkeiten und Erwerbsverläufe zeigen deutlich, daß die handfesten Näharbeiten an den Mänteln in der kargen Nachkriegszeit und mit der Gewißheit, daß es aufwärtsgehen wird, einer viel komplizierteren und abstrakteren Form der Flickarbeit gewichen sind, nämlich dem Patchwork an der eigenen Identität und am eigenen Lebenslauf ... Zu dieser Patchwork-Identität gehört es auch, sich bedarfsgerecht die ›Mischungsverhältnisse‹ für die eigenen Werte zu suchen und den persönlichen Wertekosmos mit der eigenen Lebenssituation und dem aktuellen Bedingungsgefüge in der Gesellschaft stets aufs neue abzugleichen« (Fritzsche, 2000a, S. 156).
So kann nun die Antwort auf die oben gestellte Frage gegeben werden, was Wechselwähler, fehlende emotionale Bindung zur Arbeit und Ehescheidungen
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