stars« verdrängt werden. Das überraschende Entdecktwerden und der rauschende Erfolg sind die Kernelemente dieses Traums, nicht aber eine bestenfalls durchschnittliche Karriere danach. So schnell wie die Bewunderung der Fans den »instant stars« zufliegt, so schnell ist sie auch wieder vorbei, denn der Traum vom Entdecktwerden verlangt immer wieder neue Superstars. Wenn es gutgeht, tingeln sie noch eine Weile durch Deutschlands Klein- und Mittelstädte, bevor sie sich wieder in eine normale Existenz finden müssen. Wer kennt denn heute noch Pierre Humphrey, den Sieger der RTL-II-Castingshow Teenstar, der sich inzwischen zum Musicaldarsteller ausbilden läßt? Wer erinnert sich an die Dachdeckerin Sabrina Lange, Teilnehmerin bei Big Brother, die nun Hypnosekurse gibt, oder Anita Ligaszewski, Siegerin der Sat.1 -Sendung Girls Camp, die gegenwärtig eine Ausbildung zur Heilpraktikerin macht (vgl. dazu Der Spiegel Nr. 10, 2003, S. 172-174)? Der Erfinder des Konzepts, Simon Fuller, sagt dazu: »Popstars sind nichts als Marken, die man bis zum Letzten ausnehmen muß.« Ihm selbst soll die Idee »Land X sucht den Superstar« inzwischen mehr als 50 Millionen Dollar eingebracht haben (Saarbrücker Zeitung Nr. 223 vom 25. 9. 2003, S. C 5).
Wohin man auch blickt, Stars und Prominente sind zu Vorbildern der Mediengesellschaft geworden. Kein Wunder also, daß die niedersächsische Bundestagsabgeordnete Monika Griefahn, Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Kultur und Medien, auch den deutschen Musikproduzenten Dieter Bohlen für das Bundesverdienstkreuz vorgeschlagen hat. Vom Autor dieses Buches angefragt, wie sie den Vorschlag begründe, antwortete sie am 10. Juli 2003: »Es gibt ... keinen deutschen Musikproduzenten, der mehr Menschen erreicht als er, nicht nur in Deutschland. In 20 Ländern war er mit Nummer 1 -Titeln vertreten und damit ein Botschafter für Deutschland. Bohlen wurde z.B. als erfolgreicher Musiker in der ehemaligen Sowjetunion ausgezeichnet. Das haben nicht einmal die Beatles oder Michael Jackson geschafft! Auch die Beatles sind für ihr Schaffen vom britischen Königshaus ausgezeichnet worden, und Paul McCartney wurde sogar in den Adelsstand erhoben ... Er zeigt, daß man mit viel harter Arbeit erfolgreich sein kann, und ich meine, in einer Zeit, in der viele dem Lustprinzip frönen, ist er damit Vorbild.«
5. Fans – Sein wollen wie ein anderer
Freitag, der 12. Dezember 1980, Ecke 72. Straße/Central Park in New York. Es ist spät, gegen 23.00 Uhr, als John Lennon mit seiner Frau Yoko Ono mit dem Taxi an seinem Wohnort, dem Apartmenthaus Dakota, vorfährt. Er steigt die Stufen zum Eingang hoch, als er hinter sich seinen Namen hört: »Mr. Lennon?« Als er sich umdreht, sieht er seinen Mörder. Mark David Chapman, ein ehemaliger Wachmann, tötet ihn mit fünf Schüssen in Kopf und Bauch. Es ist kaum zu glauben, aber Chapman war ein extremer Bewunderer seines Opfers. Er kopierte dessen Kleidungsstil und Frisur, er spielte dessen Musik, unterschrieb mit dessen Namen und heiratete – wie sein Idol – eine japanische Frau. Er wollte John Lennon sein.
Zugegeben, ein extremes Beispiel für eine Star-Fan-Beziehung. Es heißt Stalking (= an eine Beute heranpirschen) und meint die obsessive Fixierung auf einen Menschen, ohne daß dieser es wünscht. Aber das Beispiel ist beileibe kein Einzelfall (vgl. zum Folgenden Meyrowitz, 1994). Zwei Lennon-Fans, ein Teenager in Florida und ein 30jähriger in Utah, nahmen sich wegen dieses Mordes das Leben. John Hinckley wollte Ronald Reagan umbringen, um die von ihm verehrte Jodie Foster zu beeindrucken. Michael J. Fox erhielt über 5.000 Drohbriefe von einem Fan, der über dessen Heirat empört war. Olivia Newton-John wurde von einem psychisch kranken Verehrer bis nach Australien verfolgt. Die junge US-Schauspielerin Rebecca Schaeffer wurde 1989 von dem Stalker Robert Bardo umgebracht. Alles nur gut erfundene PR-Gags?
In Deutschland erwies sich in einer schriftlichen Befragung der Arbeitsstelle für Forensische Psychologie an der TU Darmstadt, daß 26 von insgesamt 36 Prominenten schon einmal über längere Zeit von einem Fan verfolgt wurden (Hoffmann, 2001). Sie erhielten Liebesbriefe, schriftliche Beschimpfungen, aber auch selbstgemalte Bilder, Schmuck und in Einzelfällen mit Sperma gefüllte Kondome. Fast die Hälfte der Befragten hatten Verletzungen ihrer Privatsphäre zu ertragen, bei einer TV-Moderatorin wäre dies ums Haar schlecht ausgegangen: Der
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