des Umsturzes den Glauben an Ideale gerettet. Die Prominenten, das sind die Obertanen ... und zwar zumeist solche, die Zufall, Konjunktur oder Willkür der journalistischen Selbstherrscher (der Prominenten der Kritik) aus der Fülle der Untalente emporgehoben hat... Komödianten, Filmfritzen, Kabarettfatzken, Boxer, Fußballer, Parlamentarier, Eintänzer, Damenfriseure, Literaturhistoriker, Persönlichkeiten schlechtweg – alle können prominent sein«, so beschreibt Karl Kraus (1961, S. 50 f.) diese Gruppe, die ebenfalls in den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts entstanden ist. Das lateinische Wort »prominere« sagt es: Es handelt sich um »herausragende« Persönlichkeiten, also um Menschen, die in der Öffentlichkeit ein besonderes Ansehen genießen. Sie sind unterhalb der Stars angesiedelt, aber Stars gehen häufig aus ihnen hervor, und verglühte Stars können durchaus weiterhin prominent bleiben.
Neu ist, daß sich diese Gruppe so unglaublich vermehrt hat, was vor allem auf den Einfluß des Fernsehens zurückzuführen ist. Mittlerweile gibt es auch hier Untergruppen – die Medienprominenz, die politische Prominenz, die künstlerische Prominenz und die Sportprominenz (Peters, 1996). Und ihre modernste Ausgabe sind Menschen, die sich durch nichts anderes mehr auszeichnen als durch die Tatsache, daß viele ihr Gesicht, ihren Busen oder ihren Namen kennen. Sie werden als Celebrities oder expressive Eliten bezeichnet.
Von Marlene Dietrich und Leni Riefenstahl zu den Filmstars, den Fernsehstars und den Prominenten – was ist das Gemeinsame an ihnen? Es ist zum einen die Konstruktion ihres Images nach den Träumen des Publikums und ihre Idolisierung durch das Publikum. Große und kleine Stars werden aus seinen Wünschen und Träumen geboren. Wenn aber die Galionsfiguren der Unterhaltungsindustrie erst einmal erschaffen sind, dann wirken sie zum anderen wieder auf den Zuschauer zurück. Was sich bei den beiden Lenis exemplarisch angedeutet hat, zeigt sich hier systematisch: Er will auch, wenigstens für eine kleine Weile, einmal ein Star oder, wenigstens einen Augenblick lang, ein wenig prominent sein.
Was sonst verführt den 79jährigen Robert Diggelmann-Ramseier aus der Schweiz dazu, vier Minuten mit einer 50-Kilo-Hantel auf den Schultern mehr Kniebeugen machen zu wollen als der amtierende Weltmeister im Gewichtheben? Welches andere Motiv treibt Bernhard Wagner aus Freiburg dazu, 25 Meter mit dem Fahrrad unter Wasser in weniger als einer Minute zu fahren? Was noch treibt Josef Schöttl aus Karlsruhe dazu, 30 verschiedene Gerichte am Geräusch erkennen zu wollen, das sie beim Braten in der Pfanne machen? Wieso, wenn nicht wegen des Auftritts, will Ralf Schäfer aus Bad Abbach unbedingt 18 Menschen bei geschlossenen Türen in einem Smart unterbringen? Und was sonst bringt Matthias Bosse und Andreas Preuss aus Hamburg dazu, unbedingt 40 verschiedene weiße Farben am Geruch erkennen zu wollen? Es war der öffentliche Auftritt in der 142. Sendung von Wetten dass? am 22. März 2003 in Luzern.
Und wenn es mit dem Auftritt im Fernsehen nicht klappt, bleibt ja immer noch das Guinness Buch der Rekorde, in das Uta Jentjens aus Krefeld mit der längsten ununterbrochenen Radiomoderation (101 Stunden), Roland Maier aus Cleebronn mit 184 Tagen und einer Stunde öffentlichem Pfahlsitzen und zwei Teams der 3. Realklasse aus Ebikon (Schweiz) mit 25 Stunden ununterbrochenem Hallenfußballspiel eingetragen wurden. Das Spiel endete übrigens 422 : 394.
Diese Sehnsucht erklärt auch den rätselhaften Erfolg der ebenfalls vom Fernsehen in den letzten Jahren produzierten Superstars. Da wurde ein 17jähriger Kinderpflegeschüler namens Daniel Küblböck nicht einmal Sieger des Singwettbewerbs Deutschland sucht den Superstar, und trotzdem verkaufte er innerhalb kurzer Zeit Hunderttausende von Schallplatten. 16.000 andere Nobodies hatten sich mit ihm um die Teilnahme beworben {Süddeutsche Zeitung Nr. 170 vom 26./27. Juli 2003, S. 32), im Schnitt 11,4 Millionen Zuschauer sahen die Sendungen. Das Geheimnis dieser »instant Stars« ist ihre Durchschnittlichkeit. Sie kommen aus demselben Milieu wie ihre Fans, tragen so realitätsnah wie kein anderer Typ von Star das Versprechen in ihr Publikum: Auch Du kannst es schaffen.
Ihre Tragik besteht darin, daß sie den Sprung zum professionellen Star mit den damit verbundenen Anforderungen und Qualifikationen meistens nicht zuwege bringen und früher oder später durch andere »instant
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