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Titel: Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Pan
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damit sind wir erneut, gewissermaßen von der anderen Seite, beim Histrio angelangt: Sein Grundproblem ist ja die Schwäche der eigenen Identität. Ein schwaches Ich kann nun auch dadurch stabilisiert werden, daß es sich in die Lage eines anderen hineinversetzt, die Identität eines als stabil phantasierten anderen borgt. Allerdings wird es auch hier schwierig, wenn der irritierte Histrio glaubt, er sei wirklich so wie das von ihm ausgesuchte Vorbild. Dieser Schritt ist es, der den Histrio vom psychisch Gesunden unterscheidet: Das schwache Selbst des Histrio ist nur zu gern bereit, zugunsten eines scheinbar stabileren, aber falschen Selbst in den Hintergrund zu treten. »Dies kann bis zu dem Punkt führen, wo jemand sich nicht mehr mit seinen »gegebenen Anlagen und Lebensmöglichkeiten‹ ... identifiziert, sondern sich die charakteristischen Züge und Verhaltensweisen einer anderen Person bzw. einer Rolle in einer Weise aneignet, als seien diese seine eigenen, so daß schließlich die Rolle an die Stelle seines authentischen Seins tritt. Auf diese Weise realisiert er ein falsches Selbst ... Hysterische ... spielen immer eine Rolle. Gleichzeitig ist der Hysterische von dieser Rolle so in Anspruch genommen, daß seine eigene Person dahinter ganz verschwindet und er so agiert, als wäre er von einer »zweiten Persönlichkeit ... bestimmt«, beschreibt Kraus (1996, S. 105) diese Tendenz.
    Und genau das führt zurück zum Fan. Sein Gattungsname ist etymologisch abgeleitet von (lat.) fanaticus; er ist »von einer Gottheit in Begeisterung, Raserei, versetzt, schwärmend, entzückt, rasend« (Herrmann, 1982, S. 154f.). Im Medienzeitalter versetzt ihn keine Gottheit in Raserei, sondern der Star. So sein wollen wie er oder sie, dafür drei Beispiele:
    Für die Teilnahme an der Sendung Deutschland sucht den Superstar meldeten sich mehr als 16.000 Bewerber. Inzwischen gibt es in Deutschland rund 100 Casting-Agenturen, von denen sich 20 bis 30 auf Kinder spezialisiert haben. Nach einem Bericht der Süddeutschen Zeitung (Nr. 170 vom 2b.121. Juli 2003, S. 32) wurden den Agenturen sogar schon Babies von ihren Müttern angeboten.
    In den USA sendete die ABC im Jahr 2003 eine neue Show Extreme Makeewer, in der häßliche Entlein mit Hilfe von Schönheitschirurgen, Dentisten, Visagisten, Hairstylisten und Modedesignern zu schönen Schwänen gemacht werden. Die Sendung wird als »infomercial« bezeichnet, weil sie über die Möglichkeiten der individuellen Verschönerung informiert und gleichzeitig als Werbesendung für die beteiligten Berufsgruppen gilt. 20.000 Kandidaten mit Boxernasen, Hasenscharten oder Segelohren warten darauf, auf diese Weise verschönert zu werden und gleichzeitig Prominenz zu erlangen. Sie sind damit ein Teil der 6,6 Millionen Amerikaner, die sich im Jahr 2002 einer Schönheitsoperation unterzogen haben (Saarbrücker Zeitung Nr. 131, Pfingsten 2003, S. A 8).
    Der Film Top Gun war 1986 der erfolgreichste Film in den USA, er soll viele junge Amerikaner dazu gebracht haben, sich freiwillig zu den Marinefliegern zu melden. In der zweiten Hälfte der 80er Jahre folgten zahlreiche Militärfilme von Rambo bis zu Iron Eagle, mit ähnlichen Wirkungen (Dörner, 1999).
    Stars ersetzen inzwischen weltweit die Vorbilder aus der unmittelbaren Lebensumwelt: Bei einer Befragung von über 32.000 Jugendlichen im Alter von 10 bis 17 Jahren aus Belgien, Frankreich, Italien, Niederlande, Portugal, Schweden und Deutschland ergab sich, daß schon 1969 rund 16% aller Befragten Stars, aber nur noch rund 6% die Eltern als Ideale angaben (Lutte et al., 1969).
    Amerikanische Jugendliche gaben 1980 folgende Liste von Helden an: Steve Martin, Erik Estrada, Burt Reynolds, John Wayne und Jerry Lewis. 18-24jährige Erwachsene nannten in einer repräsentativen Umfrage Clint Eastwood, Eddie Murphy, Ronald Reagan, Jane Fonda, Sally Field und Steven Spielberg. Amerikanische Studenten nennen u.a. die Rockstars Bruce Springsteen und Madonna (Strate, 1994, S. 21).
    Bei der Frage, wer sie am liebsten sein möchten, nannten über 75% der befragten (australischen) Jungen und 55% der Mädchen eine Medienfigur, nur noch 8% wählten die Eltern als Ideal. Insbesondere Kinder mit wenig Selbstvertrauen und aus gestörten Familien suchen sich Medienfiguren als Vorbilder. Teenager orientieren sich an glanzvollen Figuren außerhalb der unmittelbaren Umgebung – Fotomodelle, Popstars, Filmstars – und an quasi-realistischen TV-Figuren, die etwas älter,

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