besser oder erfolgreicher sind als sie selbst. Auf die Frage, wie sie nicht sein möchten, nannten die Kinder überwiegend persönlich bekannte Figuren – Klassenkameraden, Lehrer, Eltern (Duck, 1995).
Bei den repräsentativen Jugendstudien der Firma Shell in Deutschland mit jeweils rund 5.000 Befragten findet sich ebenfalls, daß nicht mehr die Personen im Nahbereich (Eltern, Lehrer), sondern die aus den Medien bekannten Personen im Fernbereich (Schauspieler, Sportler, Musiker) als Vorbilder genommen werden: 1955 stammten noch rund 75% der Vorbilder aus dem Nahbereich, 1996 waren es nur noch rund 33%. In den Daten aus dem Jahr 1999 zeigt sich ferner: Wer viel fernsieht und wer ein unsicheres Selbstbild hat, gibt eher an, Vorbilder zu haben. In dieser Befragung gaben übrigens auch rund ein Fünftel der Jugendlichen an, einen Beruf in den Medien anzustreben (Fritzsche, 2000b, S. 215ff.).
Bei einer repräsentativen Umfrage unter 8.000 Kindern und Jugendlichen von zehn bis 18 Jahren in Nordrhein-Westfalen gaben 60% der Teilnehmer an, ein Vorbild zu haben. Bei den Jungen werden zuerst Sportler wie der Fußballspieler Michael Ballack (34%) genannt, dann erst folgen die eigenen Väter (23%), schließlich Sänger (16%), Schauspieler (10%) und Bandmusiker (10%). Bei den Mädchen kommt zuerst die eigene Mutter (27%), dann folgen aber sogleich Sängerinnen (16%) wie Britney Spears und Schauspielerinnen (7%). Insgesamt stammen fast 60% der Vorbilder aus der Medienwelt (vgl. Zinnecker et al., 2002).
»Ich möchte nicht so sein wie Mutti. Sie ist immer so launisch und denkt nur an sich statt an mich. Alles, was ich möchte, ist, geliebt zu werden. Doch nicht mal das kann sie richtig«, gab ein 14jähriges Mädchen in der oben angeführten Untersuchung aus Australien zu Protokoll (Duck, 1995, S. 172). Diese Aussage macht deutlich, warum Eltern und Lehrer ihre Funktion als Vorbilder weitgehend verloren haben. Mediale Vorbilder -Schauspieler, Musiker, Sportler – beheben den Mangel. Es fügt sich zu unseren bisherigen Überlegungen zum Thema Bindungslosigkeit, daß dieser Prozeß bei selbstunsicheren Jugendlichen aus gestörten Familien ausgeprägter ist.
Der Fan mit seinen aufgeheizten Idolisierungen ist also ein meistens noch ziemlich junger, bunter, aktiver, aber vor allem histrionischer Vogel. Sagen wir es vorsichtig: Er ist zumindest gefährdet, sich nicht mehr mit seinen eigenen Anlagen und Lebensmöglichkeiten zu identifizieren, sondern sich die charakteristischen Züge und Verhaltensweisen der Stars anzueignen. Auf diese Weise realisiert er ein falsches Selbst. Mark David Chapman ist auf diesem Weg nur noch einen Schritt weiter gegangen: Um endgültig John Lennon zu werden, mußte er konsequenterweise den Menschen, der da behauptete, er wäre der echte John Lennon, aus dem Weg räumen. Die beiden Fans, die sich wegen dieses Mordes umbrachten, waren (noch) nicht so weit mit ihrer identifikatorischen Selbstaufgabe: Für sie brach mit dem Tod von John Lennon nur das falsche Selbst zusammen, aber das schwache eigene Selbst fand sich danach nicht mehr lebenstüchtig genug.
Wenn es doch nur das wäre. Aber wie der Mensch ein Idealbild von sich selbst entwickelt, so verfügt er auch über (meist) unbewußte Vorstellungen davon, wie ideale Partner sein sollten. Partnerbezogene Idealvorstellungen können sich auf alle Bereiche der menschlichen Interaktion beziehen, seien es Erotik und Sexualität (»der ideale Liebhaber«), Ehe (»die ideale Ehefrau«), Kindererziehung (»der ideale Vater«), Arbeit (»die ideale Chefin/Kollegin«) oder Freundschaft (»der ideale Freund«). Partnerideale sind also zu Personenbildern geronnene Wunschvorstellungen davon, wie andere Menschen in bezug auf die eigenen Bedürfnisse sein sollten.
Entsprechend will der Fan nicht nur so sein wie der Star, er will auch jemanden für sich haben wie den Star. Stars eignen sich also ebenso zum Gebrauch als Ich- wie als Partnerideal. Bei den Partneridealen spielt vor allem die subjektive Konstruktion eines erotisch-sexuellen Partnerideals eine Rolle. Er oder sie ist der Traumpartner, den die Wirklichkeit nie bieten wird. Der Blick auf das über dem Bett – wo sonst? – hängende Poster, seine Songs, der Besuch seiner Filme oder Konzerte mögen ein Weilchen diese Illusion lebendig werden lassen.
Dieses Thema hat in dem Woody-Allen-Film The Purple Rose of Cairo eine wundervolle Bebilderung erfahren. Eine in armseligen Verhältnissen und einer
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