Fiction am intensivsten nutzen.
Fassen wir am Ende dieses Abschnitts alle vorgetragenen Daten unter der hier interessierenden Beweisführung zusammen:
Bei den Kindern zwischen drei und 13 Jahren liegen die TV-Nutzungszeiten seit Jahren relativ konstant bei etwa eineinhalb Stunden täglich. Sie sehen weitaus am liebsten Fictionsendungen, wie Zeichentrickfilme und Seifenopern, und bevorzugen eindeutig die privaten Sender. Kinder aus den gesellschaftlichen Leitmilieus sehen am wenigsten, Arbeiterkinder am längsten fern. Bei den favorisierten Fictionsendungen sehen die Arbeiterkinder täglich rund eine Stunde, die Kinder der gesellschaftlichen Leitmilieus hingegen nur eine halbe Stunde zu. Gegen Ende der Kindheit werden Geschlechterunterschiede deutlicher: Mädchen sehen dann am liebsten Seifenopern, allen voran Gute Zeiten, schlechte Zeiten. Bei den Jungen werden Comedy- und Action-Serien die Favoriten.
Bei den Jugendlichen steigen die Zeiten über die Jahre kontinuierlich an. Sie schauen gegenwärtig knapp drei Stunden täglich fern. Auch bei ihnen ist Fiction das bevorzugte Genre, die täglichen Seifenopern sind die Lieblingssendungen in dieser Zeit. Mit zunehmendem Lebensalter kommen alle Arten von Serien hinzu. Mädchen mögen dazu romantische Filme, Jungen vor allem Sportsendungen. Hauptschüler sehen fast doppelt so lange fern wie Gymnasiasten, sie interessieren sich auch stärker für die Themen Film- und Musikstars.
Für die Erwachsenen gilt, daß die durchschnittliche Nutzungszeit seit Jahren steigt und momentan bei etwa dreieinhalb Stunden täglich liegt. Die gesellschaftlichen Leitmilieus sehen unterdurchschnittlich viel und eher gezielt fern: die älteren Milieus eher Informationssendungen und deutsche Serien, die jüngeren eher Unterhaltungssendungen und amerikanische Serien. Die traditionellen Milieus sehen am meisten fern, ihre Favoriten sind volkstümliche Musiksendungen, deutsche Serien und Unterhaltungssendungen. Die Mainstream-Milieus sehen durchschnittlich viel und hauptsächlich Unterhaltung. Deutsche und amerikanische Serien sowie Real-Life-Formate {Big Brother) sind ihre Favoriten. Die hedonistischen Milieus sehen leicht unterdurchschnittlich viel, aber mit einem überdurchschnittlich breiten Nutzungsspektrum fern. Auch hier zählen amerikanische Serien und Spielfilme zu den Favoriten, aber ebenso werden Kultursendungen angesehen.
Alles in allem nimmt die Nutzung unterhaltungsorientierter Programme stetig zu. Und für die hier interessierende Frage eines neuen Sozialcharakters besonders wichtig: Bei den jungen Zuschauern sind Serien die großen Favoriten. 30 Stunden jährlich sehen sie bereits die Kinder (Feierabend & Klingler, 2004), auf rund 220 Stunden jährlich steigt es bei den Jugendlichen (Gerhards & Klingler, 2001). Auf das Schuljahr mit rund 190 Schultagen umgerechnet, entspricht letzteres rund eineinhalb Unterrichtsstunden täglich. Das ist mehr, als ein Gymnasiast an einem humanistischen Gymnasium (etwa nach der bayerischen Stundentafel) im Deutschunterricht verbringt. Was genau sehen sie da eigentlich?
8. Inhalte – Die Botschaften des Fernsehens
»Wer die Welt und jeden Kontinent
Und die sieben weiten Meere kennt,
Ist ein Mann mit tausend Träumen,
Den man Percy Stuart nennt.
Wenn des Nachts der Mond am Himmel steht
Und der Wind um dunkle Ecken weht,
Lauert, wie das immer so war,
Im schönsten Moment die große Gefahr.
Und in 99 Prozent
Gibt es doch noch ein Happy-End.
Percy Stuart ist unser Mann,
Ein Mann, ein Mann, der alles kann.«
Mit diesem Titelsong wurde Ende der 1960er Jahre eine Vorabendserie des ZDF zu einem Quotenrenner, der bis zu 54% der Zuschauer erreichte (Schindler, 1999b, S. 91 f.). Schon damals waren es also nicht nur die Jungen, die sich am liebsten TV-Serien angesehen haben. »Erst Serien machten aus meinem Fernsehkonsum eine Sucht. Mit den Serien erschafft das Fernsehen fiktionale Parallelwelten zu unserem Leben, in die wir nach Bedarf eintauchen können. Bildschirmbekannte erweitern den Kreis der eigenen Freunde. Ihre Wohnungen sind unser zweiter Wohnsitz; ihre Kneipen unsere Stammkneipen«, schreibt eine 1960 geborene Dauerseherin, die später aus ihrer Sucht einen Beruf gemacht hat: Sie wurde Medienwissenschaftlerin (Bleicher, 1999).
Und heute? Nach den Daten über die TV-Nutzungszeiten aus dem voranstehenden Kapitel haben Serien an Bedeutung eher noch zugelegt. Insgesamt haben deutsche TV-Zuschauer folgende Rangreihe der
Weitere Kostenlose Bücher