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Titel: Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Pan
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sind oft ausgeprägter, als sie es nach den entsprechenden Statistiken sein müßten.
    Diese Theorie und die skizzierten Ergebnisse haben eine außerordentlich lebhafte Diskussion und zahlreiche Folgestudien ausgelöst. Die statistischen Zusammenhänge sind zwar nicht immer sehr groß, aber dennoch hält man heute den Kultivierungseffekt des Fernsehens für gesichert. Inzwischen wurde u.a. die Kultivierung von Geschlechterrollen, von politischen Einstellungen, von Annahmen über Minderheiten, Religion, Wissenschaft und Medizin, Familien und Berufsbilder untersucht (vgl. Übersicht von Morgan & Shanahan, 1996). Dabei zeigte sich u.a., daß Vielseher größeres Vertrauen zur Medizin, zur Polizei, zum Militär, zum Erziehungssystem, gegenüber der organisierten Religion, der Presse, dem Fernsehen und den Gewerkschaften haben als Wenigseher. Dagegen mißtrauen sie großen Firmen und der Wissenschaft. Vielseher überschätzen ferner die Häufigkeit von Doktoren, Rechtsanwälten und Geschäftsleuten in der Bevölkerung ebenso wie das Auftreten bestimmter Krankheiten (etwa Infarkt und Krebs), von Scheidungen und Haftstrafen und träumen eher von einer romantischen Ehe.
    Auch bei Vielsehern bestimmter Sendungen zeigen sich entsprechende Effekte. So haben (amerikanische) Vielseher des Musiksenders MTV andere Einstellungen zur Sexualität als entsprechende Vergleichsgruppen. Sie überschätzen die Häufigkeit bestimmter Sexualpraktiken in der realen Welt, sind gegenüber Varianten des Sexualverhaltens permissiver, stören sich weniger an sexueller Belästigung. Bei weiblichen Zuschauern gibt es ferner einen Zusammenhang mit dem Wunschbild vom eigenen Körper: Wer viele Sendungen mit schlanken Frauen sieht, wie etwa MTV, wünscht sich auch selbst stärker eine schlanke Figur (Bissell & Zhou, 2004; Greenberg & Hofschire, 2000; Hansen & Hansen, 2000). Dies gilt ähnlich auch für die Vielseher von Seifenopern. Sie glauben, daß alleinstehende Mütter ein vergleichsweise angenehmes Leben führen, ferner halten sie Sexualität außerhalb der Ehe für positiver als innerhalb. Heirat und Ehe werden für weniger wichtig gehalten, zugleich aber mit unrealistisch großen romantischen Erwartungen versehen (Segrin & Nabi, 2002). Vielseherinnen sind aber meistens mit ihrer eigenen Figur weniger zufrieden als die entsprechenden Vergleichsgruppen (Wartella et al., 2000). Letzteres konnte auch für das Ansehen von Werbung nachgewiesen werden. Mädchen, die Werbung für Kosmetik vorgeführt bekamen, hielten am Ende körperliche Attraktivität für wichtiger als Mädchen, die nur neutrale Werbung sahen. In einer anderen Untersuchung schätzen Mädchen nach dem Ansehen von Kosmetikwerbung ihr eigenes Körpergewicht – wieder im Vergleich mit einer Kontrollgruppe – als größer ein. Medien beeinflussen sowohl das Schönheitsideal der Zuschauer wie das eigene Körperbild, ja sie wirken sich sogar auf das Eßverhalten aus (Botta, 1999). Amerikanische Vielseher von Talkshows überschätzen u. a. erheblich die Anzahl von Teenagern, die jährlich von zu Hause weglaufen (Schätzung: 49%, real: 8%), die Zahl von Mädchen, die vor dem 18. Lebensjahr schwanger werden (Schätzung: 55%, real: 4%), wieviel Schüler Waffen mit zur Schule bringen (Schätzung: 27%, real: 1%) sowie die Zahl untreuer Ehemänner (Schätzung: 45%, real: 20%) und Ehefrauen (Schätzung: 31%, real: 10%; vgl. Davis & Mares, 1998).
    Zum Einfluß des Fernsehens auf politische Einstellungen ist darüber hinaus die sogenannte Video-malaise-Hypothese formuliert worden (vgl. Robinson, 1976): Danach haben Gruppen, die sich ausschließlich des Fernsehens als Quelle der politischen Information bedienten, eine sehr viel zynischere Haltung zur Politik und den Politkern. Dies tritt vor allem bei hohem Vertrauen in das Medium und einer unterhaltungsorientierten Nutzung des Fernsehens auf. Der amerikanische Politikwissenschaftler Putnam (2000) findet Zusammenhänge zwischen einer unterhaltungs-orientierten TV-Nutzung und sozialen Aktivitäten: Wer viel TV-Unterhaltung sieht, nimmt weniger an Projekten der Wohngemeinde, am Vereinsleben, an sozial-karitativen Aktivitäten teil. Unterhaltungsseher haben zudem ein deutlich geringeres Interesse an Politik.
    Nach allem zeigen sich hinsichtlich des Einflusses des Fernsehens auf das Denken zweierlei Tendenzen: Zum einen erzieht das Medium zur mentalen Oberflächlichkeit, zum anderen kultiviert es Einstellungen und Meinungen. Wieder drängt sich die Nähe

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