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lesen außer einer Vorkriegsausgabe von ›Tit-Bits‹, die ich auf dem Fußboden unter dem welligen Sofa fand. Wie Sallys Jumper hätten auch die schweren Spitzengardinen eine Wäsche vertragen können. Dann kam Sally mit dem Tee-Imbiß: sechs uniforme rötliche Kuchenstücke aus dem erstbesten Laden und eine Flüssigkeit ohne Geschmack, in der Teekrümel schwammen. Das Steingut paßte zum restlichen Zubehör. Ich fragte Sally, ob sie bereits gearbeitet hätte.
    »Noch nicht«, erwiderte sie ein wenig mürrisch. »Ich muß zuerst das Haus in Ordnung bringen.«
    »Dein Vater hat wohl viel Unordnung hinterlassen?«
    Sie sah mich scharf an. »Vater ist nie aus seiner Bibliothek herausgekommen.«
    Sie schien anzunehmen, daß ich mehr wußte, als tatsächlich der Fall war. Um mich herum machte ich schwerlich etwas aus, das den Eindruck einer ›Bibliothek‹ machte. Ich wechselte das Thema. »Meinst du nicht, daß das Haus für einen allein zu groß ist?«
    Mir schien dies eine unschuldige, wenn auch nicht sehr einfallsreiche Frage zu sein. Aber Sally antwortete nicht, sondern saß einfach da und starrte vor sich hin. Oder vielmehr schien sie ein unerfreuliches Gedankengebilde in ihrem Inneren zu betrachten.
    Ich bin eine Verfechterin spontanen Handelns. »Sally«, sagte ich, »ich habe eine Idee. Warum verkaufst du das Haus nicht, es ist einfach viel zu groß für dich, und ziehst zu mir? Wir haben viel Platz, und mein Vater ist die Großzügigkeit in Person.«
    Sie schüttelte nur den Kopf. »Danke, Mel. Nein.« Sie schien immer noch in Gedanken versunken, in unangenehme Gedanken.
    »Du weißt doch noch, was du neulich gesagt hast. Daß du froh darüber bist, daß ich hier lebe. Ich werde wohl weiterhin hier leben. Ich hätte dich gern bei mir, Sally. Denke bitte darüber nach.«
    Sie stellte ihren unansehnlichen kleinen Teller auf den unansehnlichen kleinen Tisch. Sie hatte einen einzigen winzigen Bissen von ihrem rötlichen Kuchen genommen. Sie streckte ihre Hand sehr zögerlich nach mir aus, ohne mich auch nur im geringsten zu berühren. Sie schluckte kaum merklich. »Mel ...« Ich versuchte, ihre Hand zu ergreifen, aber sie zog sie zurück. Plötzlich schüttelte sie heftig den Kopf. Dann fing sie an, über ihre Arbeit zu sprechen.
    Sie machte keine Anstalten, noch etwas zu essen oder zu trinken, und in der Tat waren sowohl der Kuchen als auch der Tee, die sie mir immer wieder beiläufig und nach ihrer früheren Art, anbot, bemerkenswert wenig verlockend. Aber sie sprach etwa eine halbe Stunde lang anregend und ungezwungen – über unbedeutende Themen. Schließlich sagte sie: »Verzeih mir, Mel. Aber ich muß sehn, daß ich weiterkomme.«
    Sie stand auf. Natürlich stand auch ich auf. Dann zögerte ich.
    »Sally ... Bitte denk drüber nach. Ich würde mich sehr freuen. Bitte.«
    »Danke, Mel. Ich werde darüber nachdenken.«
    »Versprochen?«
    »Versprochen ... Danke für deinen Besuch.«
    »Ich möchte dich viel öfter sehen.«
    Sie stand in der geöffneten Haustür. In der Dämmerung sah sie unbeschreiblich gequält und vergrämt aus.
    »Komm mich besuchen, wann immer du willst. Komm doch morgen zum Tee und bleib zum Abendessen.« Alles, was sie aus diesem schrecklichen, schrecklichen Haus befreien würde.
    Wieder sagte sie nur: »Ich werde darüber nachdenken.«
    Auf dem Nachhauseweg kam es mir so vor, als habe sie mich bloß aus Pflichtgefühl eingeladen. Ihre Veränderung hatte mich sehr verletzt und erschreckt. Als ich meine eigene Eingangstür erreichte, dachte ich, daß die größte Veränderung von allen die war, daß sie kein einziges Mal gelächelt hatte.
     
    Als ich fünf oder sechs Tage danach nichts von Sally gehört oder gesehen hatte, bat ich sie schriftlich, mich zu besuchen. Tagelang antwortete sie überhaupt nicht; dann schickte sie mir wieder eine Ansichtskarte, diesmal mit einer antiken Büste in einem Museum, auf der sie mir mitteilte, daß sie gern kommen würde, wenn sie nur ein wenig mehr Zeit hätte. Ich bemerkte, daß ihr bei meiner Adresse ein kleiner Fehler unterlaufen war, den sie hastig und unvollständig korrigiert hatte. Der Postbote wußte natürlich Bescheid. Ich konnte mir gut vorstellen, daß es in Sallys Haus viel zu tun gab. Es war eines jener Häuser, in denen die Arbeit nie zufriedenstellend oder vollständig getan ist: ein unersättlicher Schlund von Haus. Aber trotz der Geschichten aus ihrer Kindheit konnte ich mir die Sally, die ich kannte, nicht bei dieser Art von

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