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Arbeit vorstellen ... Ich konnte mir nicht vorstellen, was sie tat, und ich gestehe, daß ich es wissen wollte.
    Einige Zeit danach traf ich Sally in den International Stores. Ich kaufte dort nicht regelmäßig ein, aber Mr. Orbit waren die speziellen Gewürzgurken für meinen Vater ausgegangen. Ich mußte mich fragen, ob Sally sich nicht daran erinnerte, daß man mich in diesem Geschäft nur selten antraf.
    Sie war dort, als ich eintrat. Sie trug dieselben schmuddeligen Hosen und dazu diesmal einen weißen Jumper, der in schlechterem Zustand als sein Gegenstück war, nämlich schlicht schmutzig. Gegen die Herbstwitterung hatte sie einen blauen Regenmantel angezogen, der mir derselbe zu sein schien, den sie in der Schule getragen hatte. Sie sah ganz einfach ungepflegt und alles andere als gut aus. Sie schaufelte nervös einen kleinen Berg dunkelblauer Tüten und greller Päckchen in eine sehr betagte Reisetasche. Obwohl der Laden ziemlich voll war, wartete an dem Abschnitt der Ladentheke, an dem Sally stand, niemand auf Bedienung. Ich ging auf sie zu.
    »Guten Morgen, Sally.«
    Sie umklammerte die scheußliche Reisetasche, als hätte ich vor, sie an mich zu reißen. Dann entspannte sie sich. »Sieh mich nicht so an«, sagte sie. In ihrer Stimme war ein irritierendes kleines Krächzen. »Schließlich bist du nicht meine Mutter, Mel.« Darauf verließ sie den Laden.
    »Ihr Wechselgeld, Miss«, rief der Verkäufer hinter ihr her.
    Doch sie war bereits verschwunden. Die anderen Frauen im Laden sahen ihr nach, als sei sie die stadtbekannte Hure. Dann schlossen sie zu dem Thekenabschnitt auf, wo sie gestanden hatte.
    »Armes Ding«, sagte der Verkäufer unerwartet. Er war jung. Die anderen Frauen sahen ihn feindselig an und äußerten ihre Wünsche betont brüsk.
    Dann ereignete sich Sallys Unfall.
    Zu diesem Zeitpunkt konnte kein Zweifel daran bestehen, daß etliches mit ihr nicht stimmte, aber ich war seit jeher so ziemlich ihre einzige Freundin in der Stadt gewesen, und ihr Verhalten mir gegenüber machte es mir schwer, ihr zu helfen. Nicht daß es mir an Willen oder Mut gefehlt hätte, aber ich konnte mich nicht entscheiden, wie ich die Aufgabe in Angriff nehmen sollte.
    Ich dachte noch immer darüber nach, als Sally überfahren wurde. Ich meine, daß ihre Schwierigkeiten, worin sie auch bestehen mochten, ihr normales Urteilsvermögen beeinträchtigt hatten. Offenbar war sie, als sie aus dem Postamt trat, auf der Hauptstraße direkt in einen Lastwagen gelaufen. Ich erfuhr kurz danach, daß sie keine Postzustellung in ihr Haus wünschte und auf Postlagerung bestand.
    Nachdem sie ins Gemeindekrankenhaus eingeliefert worden war, bat mich die Oberin, Miss Garvice, zu sich. Jeder wußte, daß ich mit Sally befreundet war.
    »Wissen Sie, wer ihr nächster Angehöriger ist?«
    »Ich bezweifle, daß sie so etwas in diesem Land hat.«
    »Freunde?«
    »Ich weiß nur von mir selbst.« Ich hatte mich bereits gefragt, welcher mysteriöse Informant ihr Dr. Tesslers Ableben mitgeteilt hatte.
    Miss Garvice dachte einen Augenblick nach.
    »Ich mache mir Sorgen um ihr Haus. Eigentlich müßte ich wohl in Anbetracht der Umstände die Polizei benachrichtigen und sie bitten, ein Auge darauf zu haben. Aber ich bin sicher, sie würde es begrüßen, daß ich Sie darum bitte.«
    Ihr Tonfall bewog mich zu der Annahme, daß Miss Garvice nichts von Sallys jüngster Verwandlung wußte. Vielleicht hielt sie es auch für das beste, sie zu ignorieren.
    »Da Sie ganz in der Nähe wohnen, wäre es doch nicht zuviel verlangt, wenn Sie hin und wieder hineinschauten? Vielleicht am besten einmal am Tag?«
    Ich stimmte wohl hauptsächlich deshalb zu, weil ich argwöhnte, daß etwas in Sallys Leben um ihretwillen vor den falschen Leuten verborgen bleiben sollte.
    »Hier sind die Schlüssel.«
    Es war eine beträchtliche Ansammlung für einen solch gewöhnlichen Haushalt wie Sallys.
    »Ich mache es wie besprochen, Miss Garvice. Aber wie lange wird es Ihrer Meinung nach dauern?«
    »Schwer zu sagen. Aber ich glaube kaum, daß Sally sterben wird.«
     
    Eine Schwierigkeit lag darin, daß ich gezwungen war, mich der Aufgabe ohne Hilfe zu stellen, weil ich niemanden in der Stadt wußte, von dem ich den feinfühligen und taktvollen – sogar liebevollen – Umgang mit Sallys Zwangslage erwarten durfte, den ich für unerläßlich hielt. Auch angesichts der Frage, ob ich das Haus erkunden sollte oder nicht, sah ich mich vor einem Dilemma. Zweifellos hatte ich kein

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