Recht dazu; andererseits hätte es möglicherweise in Sallys ›höherem Interesse‹ sein können, es zu tun. Ich muß jedoch zugeben, daß Neugier zu meiner Entscheidung, die Sache anzugehen, erheblich beitrug. Das bedeutete nicht, daß ich andere einweihen würde, was auch immer dabei ans Licht kommen mochte. Schon dieses scheußliche Wohnzimmer würde Sallys Ruf nicht guttun ...
Miss Garvice hatte unser Gespräch mit dem Vorschlag beendet, meinen ersten Besuch sofort zu machen. Ich ging zum Mittagessen nach Hause. Danach machte ich mich auf den Weg.
Eine meiner ersten Entdeckungen war, daß Sally jede einzelne Tür im Haus abgeschlossen hatte – und daß die Überbleibsel des Tee-Imbisses, den ich vor Wochen mit ihr eingenommen hatte, noch im Wohnzimmer herumstanden; gnädigerweise nichts Eßbares, aber die Teller, Tassen, vornehmen Messerchen und die Teekanne mit einem Bodensatz von Blättern und Flüssigkeit.
Auf den Korridor hinter der Eingangstür führte ein Zimmer, das an das Wohnzimmer angrenzte und dessen Gegenstück im hinteren Teil des Hauses bildete. Vermutlich war einer dieser Räume vom Erbauer (das Haus sah nicht so aus, als sei ein Architekt daran beteiligt gewesen) als Eßzimmer, der andere als Salon gedacht gewesen. Ich ging die Schlüssel durch. Es waren große Schlüssel, die Türen und Schlösser waren protzig überdimensioniert. Schließlich öffnete sich die Tür. Ich nahm einen abgestandenen, kalten Geruch wahr. Das Zimmer schien in völliger Dunkelheit zu liegen. Vielleicht Dr. Tesslers Bibliothek?
Ich tastete innen am Türrahmen nach einem Lichtschalter, konnte aber keinen finden. Ich machte noch einen halben Schritt vorwärts. Der Raum schien schwärzer denn je und der abgestandene, kalte Geruch etwas stärker. Ich beschloß, die Erkundung auf später zu verschieben.
Ich schloß die Tür und ging nach oben. Die Zimmer im Erdgeschoß waren hoch, so gab es zahlreiche und steile Stufen. Im ersten Stock befanden sich zwei Räume, deren Grundriß den beiden Räumen unten entsprach. Man konnte den Entwurf weder einfallsreich noch praktikabel nennen. Ich versuchte es zuerst mit dem vorn gelegenen Raum und ließ mich erneut auf das Geduldsspiel mit den Schlüsseln ein. Das Zimmer war in desolatem Zustand und enthielt nichts außer einer beträchtlichen Menge von Schriftstücken. Sie schienen einmal auf dem nackten Boden gestapelt worden zu sein, aber die Stapel waren schon vor langer Zeit umgestürzt, und auf ihren Bestandteilen hatte sich eine dicke Schicht flockiger, schwarzer Staubpartikel gebildet. Der Schmutz trat hier in jener extremen Erscheinungsform auf, die bereits den Eindruck schmieriger Undurchdringlichkeit erweckt. Die Aussicht, weiter in diesen verwaisten Massen von Schriftrollen und Manuskripten zu stöbern, jagte mir einen Schauer über den Rücken.
Der rückwärtige Raum war ein Schlafzimmer, vermutlich Sallys. Alle Vorhänge waren zugezogen, und ich mußte das Licht einschalten. Man konnte es wahrhaftig, einer abgedroschenen Phrase folgend, als »karg möbliert« bezeichnen; die Möbelstücke stammten aus derselben Periode wie die im Wohnzimmer, waren aber noch dürftiger und von noch spinnenartigerer Erscheinung. Die Übergröße und Überhöhe des Raums, die wuchtige Kranzleiste des Verputzes und die noch wuchtigere Stuckrose in der Mitte der rissigen Decke betonten die Spärlichkeit der anachronistischen Möblierung. Es war jedoch ein modernes, sehr flaches Doppelbett vorhanden, das aussah, als sei es benutzt, aber seit Wochen nicht mehr gemacht worden. Jemand schien ganz plötzlich, als habe der Wecker geklingelt, aufgestanden zu sein. Ich versuchte, eine Schublade des gebrechlichen Toilettentischs aufzuziehen. Sie quietschte und blieb stecken; sie enthielt Unterwäsche von Sally, die einen kläglichen Anblick bot. Die langen Vorhänge waren schwer und dunkelgrün. Es war eine niederschmetternde Untersuchung, aber ich machte weiter.
Der zweite Stock erweckte den Anschein, als wäre er ursprünglich ein einziger Raum gewesen, zugänglich von einem kleinen Treppenabsatz. Es gab eindeutige Hinweise auf unfachmännisches Werkeln mit dem offensichtlichen Ziel, den riesigen Raum zu unterteilen, um Bad und Toilette samt eigenen Zugang zu schaffen. War das Haus etwa ursprünglich ohne diese unerläßlichen Annehmlichkeiten gebaut worden? Alles schien möglich. Mir fiel der alte Witz von dem Architekten ein, der das Treppenhaus vergessen hatte.
Aber hier gab es etwas, das
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