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›Gefühle‹ gesagt.« Die Katze sprang von Miss Garvices Schoß hinunter auf den Boden. Sie begann sich an meinen Strümpfen zu reiben. Miss Garvice folgte ihr mit den Augen. »Sind Sie in ihrem Haus gewesen?«
    »Ich habe kurz hineingeschaut.«
    Miss Garvice wollte mich ausforschen, aber sie beherrschte sich und fragte nur: »Alles in Ordnung?«
    »Soweit ich sehen konnte, ja.«
    »Ob Sie wohl ein paar Sachen zusammensuchen und beim nächsten Mal mitbringen könnten? Ich bin sicher, daß ich Ihnen das anvertrauen kann.«
    »Ich will sehen, was ich tun kann.« Beim Gedanken an das Haus fragte ich mich, was ich überhaupt tun konnte. Ich stand auf. »Ich komme morgen wieder, wenn ich darf.« Schnurrend begleitete mich die Katze zur Tür. »Vielleicht kann ich dann auch Sally sehen.«
    Miss Garvice nickte nur.
     
    In Wahrheit fand ich keine Ruhe, ehe ich nicht jenen rückwärtigen Raum erkundet hatte. Natürlich fürchtete ich mich, aber die Neugier wog weit schwerer. Ich glaubte – möglicherweise irrte ich –, daß selbst meine Furcht eher Furcht vor dem Unbekannten war als vor etwas, das ich dort wirklich vorzufinden erwartete. Wäre ein guter Freund nah gewesen, ich hätte seine Begleitung sehr begrüßt (dies war eine Aufgabe für einen Mann und für sonst niemanden). Aber wie die Dinge lagen, führte mich die Loyalität gegenüber Sally noch einmal allein dorthin.
    Am Morgen hatte sich der Himmel mehr und mehr bedeckt. Während der Mittagszeit begann es zu regnen; den Nachmittag über wurde der Regen immer heftiger. Meine Mutter sagte, ich sei verrückt, das Haus zu verlassen, aber ich zog ein Paar schwere Wanderschuhe und meine Fahrrad-Pelerine an. Von meinem Vater hatte ich die Stablampe geborgt, bevor er am Morgen zur Arbeit gegangen war.
    Zuerst betrat ich das Wohnzimmer, wo ich meinen Regenumhang und die durchgeweichte Baskenmütze ablegte. Es wäre vielleicht vernünftiger gewesen, die tropfnassen Sachen in den unteren Regionen aufzuhängen, aber ich empfand es wohl als klüger, sie nicht zu weit von der Haustür entfernt liegenzulassen. Eine Weile stand ich vor dem Spiegel und richtete mein verfilztes Haar. Das Licht ließ rasch nach, und es war nicht sehr viel zu erkennen. Der böige Wind peitschte den Regen gegen das große Erkerfenster, an dem er wie eine zerlaufende Wachsschicht herabsickerte und den spärlichen Blick nach draußen noch verzerrte. Der Fensterrahmen war reichlich undicht, auf dem Boden bildeten sich kleine Lachen.
    Ich schlug den Kragen meiner Strickweste hoch, nahm die Stablampe und betrat den rückwärtigen Raum. Fast sofort fand ich im Lichtstrahl den Schalter. Er war in normaler Höhe, aber ungefähr einen Meter vom Eingang entfernt angebracht, als habe man mit Absicht verhindern wollen, daß das Licht von der Tür aus an- oder ausgeschaltet werden konnte. Ich machte Licht.
    Ich hatte ausgiebige Spekulationen angestellt, aber was ich dann entdeckte, erstaunte mich nichtsdestoweniger. Zwischen den eigentlichen Wänden des Raumes hatte man drei Gänge aus Mauerwerk hochgezogen, das sich nach oben fortsetzte und unter der Decke ein Gewölbe bildete. Die grauen Steine waren unfachmännisch gesetzt, insbesondere das Gewölbe schien dem Zusammenbruch nahe. Die Innenseite der Tür war mit einer Eisenplatte verstärkt worden. Kein einziges Fenster war offengelassen worden. Ein krudes System elektrischer Beleuchtung war installiert worden, aber weder für Heizung noch für Belüftung war augenscheinlich gesorgt worden. Denkbar, daß der Raum zum Schutz vor Luftangriffen gedacht war; er existierte scheinbar schon seit einiger Zeit. Aber in diesem Fall war schwer ersichtlich, warum er immer noch bewohnt sein sollte, was er ganz offensichtlich war ...
    Denn an diesem schaurigen Ort standen viele Bücherregale aus unbehandeltem Holz, die mit zerfallenden bräunlichen Büchern vollgepackt waren, mehrere abgenutzte hölzerne Lehnstühle, ein großer, mit Papieren bedeckter Schreibtisch und ein Feldbett, das, wie das Bett im Obergeschoß, Anzeichen kürzlicher Benutzung aufwies. Am sonderbarsten waren ein kleiner Aschenbecher neben dem Bett, der in Zigarettenstummeln erstickte, und eine leere Kaffeetasse. Ich hob das Kopfkissen hoch; darunter lag Sallys Pyjama, nicht zusammengelegt, sondern einfach darunter gestopft. Es fiel schwer, der unerquicklichen Vorstellung zu widerstehen, daß sie anfangs in dem oberen Zimmer geschlafen hatte, dann aber aus irgendeinem Grund in diese Höhle gezogen

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