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neigte ich dazu, sie als eine Nachwirkung oder ein Zeichen ihrer Verwandlung zu betrachten. (Zu diesem Zeitpunkt wehrte ich mich dagegen, Sallys Schwangerschaft überhaupt zur Kenntnis zu nehmen.) Es konnte gar kein Zweifel daran bestehen, daß unverzügliches Handeln lebenswichtig war. Exorzismus? Oder etwa Brandstiftung? Ich bezweifle, daß ich zu jenen gehöre, denen ersteres jemals sonderlich zusagen könnte; sicherlich nicht als Methode, um etwas zu verjagen, das für das Gefühl wie für das Auge so deutlich wahrnehmbar war. Letzteres hingegen mochte ohne weiteres (von anderen Widrigkeiten einmal abgesehen) an jenem steinernen Tresor von Bibliothek scheitern. Flucht? Ich zog diese Möglichkeit lange und ernsthaft in Erwägung. Aber immer noch schien mein stärkstes Motiv in der ganzen Angelegenheit Mitleid mit Sally zu sein. Also blieb ich.
    Ich stattete dem Krankenhaus an jenem Morgen keinen Besuch ab, weil ich absolut keine Vorstellung hatte, was ich dort hätte tun oder vorbringen sollen, stattdessen kehrte ich am Nachmittag zu dem Haus zurück. Trotz meines Entsetzens vor diesem Ort glaubte ich, ich würde vielleicht auf etwas stoßen, das einen Anhalt für das weitere Vorgehen liefern würde. Ich wollte die verschmutzten Schriftstücke und sogar die Bücher in der Bibliothek näher in Augenschein nehmen. Die Idee, das ganze Anwesen niederzubrennen, war noch keineswegs aus meinen Gedanken verbannt. Ich wollte daher die Brennbarkeit des Hauses und das Ausmaß der Gefährdung für die Nachbarn abwägen ... Die ganze Zeit über schätzte ich natürlich meine eigene Stärke und das, was mit mir geschah, völlig falsch ein.
    Aber als ich das aus den Angeln gesprungene Tor anhob, verließ mich plötzlich der Mut – wieder etwas, das mir noch nie zuvor passiert war, weder im Verlauf dieser Ereignisse noch zu einem früheren Zeitpunkt. Mir war sterbenselend. Ich hatte große Angst, ohnmächtig zu werden. Mein ganzer Körper fühlte sich verkrampft und unwirklich zugleich an.
    Dann gewahrte ich Mr. Orbits Botenjunge, der mich vom Tor der gegenüberliegenden Zahnarztpraxis aus anstarrte. Ich muß ein sonderbares Schauspiel geboten haben, der Junge wirkte wie versteinert. Ich sah, daß sein Mund weit offen stand. Ich kannte den Jungen ganz gut. Es war aus allen möglichen Gründen wichtig, daß ich mich schicklich benahm. Der Junge vertrat sozusagen die öffentliche Meinung. Ich nahm zwei tiefe Atemzüge, holte den gewichtigen Schlüsselbund aus meiner Handtasche hervor und stieg so gelassen wie möglich die Stufen hinauf.
    Im Innern des Hauses ging ich in der Aussicht auf ein Glas Wasser auf direktem Wege ins Untergeschoß. Nun da Mr. Orbits Botenjunge mich nicht mehr anstarrte, fühlte ich mich schlechter denn je, so daß ich ohne Umstände, noch bevor ich nach einem Glas suchen oder zum Wasserhahn gelangen konnte, auf einem der zwei beschädigten Küchenstühle niedersank. Mein Haar war schweißnaß, meine Kleidung schien mir unerträglich schwer.
    Da hörte ich Schritte auf der Treppe zur Küche. Ich vervollständigte die Serie meiner neuen Erfahrungen, indem ich nun wirklich ohnmächtig wurde.
     
    Ich kam durch die Laute eines Tieres wieder zu mir, ein schniefendes, grunzendes Wehklagen, das mit großer Beharrlichkeit aus dem oberen Stockwerk zu dringen schien. Ich habe wohl geraume Zeit gelauscht und sogar, wenngleich vergeblich, versucht, das Tier zu identifizieren, bevor ich mich einigermaßen erholt hatte und bemerkte, daß Sally an der Anrichte lehnte und mich anstarrte.
    »Sally! Du warst das!«
    »Was dachtest du denn? Dies ist mein Haus.«
    Sie trug nicht mehr die schmuddeligen grauen Hosen, sondern war auf eine sonderbare Weise gekleidet, auf die ich aus Gründen der Diskretion nicht weiter eingehen will. Auch in anderer Hinsicht war ihre Verwandlung nun vervollständigt: Ihre Augen hatten eine abstoßende Leblosigkeit angenommen, der Knochenbau ihres Gesichts, früher so zart, hatte eine unglaubliche Veränderung durchgemacht. In ihrer Stimme war ein unangenehmes Krächzen, ganz als habe ihr Kehlkopf seine Modulationsfähigkeit verloren.
    »Würdest du mir bitte meine Schlüssel zurückgeben?«
    Ich hatte Schwierigkeiten zu verstehen, was sie sagte, wobei meine wackelige Verfassung es mir auch nicht leichter machte. Überaus ungeschickt stand ich auf, während Sally mich aus ihren verwandelten Augen anstarrte. Ich hatte auf dem Steinfußboden gelegen. Ich verspürte einen heftigen Schmerz am

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