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dem Trant zuvor nur die stockfleckige Rückseite gesehen hatte.
    »›Die Seligen und die Verdammten‹«, sagte das Kind und bedeutete ihm überflüssigerweise, wer was war.
    Trant hatte den Eindruck, daß die Bilder und Fresken immer morbider wurden, vermutete aber, daß dieses Empfinden wohl aus ihrer geballten Wucht resultierte. Eine weitere Steigerung war jedenfalls nicht mehr zu erwarten.
    Aber es gab noch vieles zu sehen. Programmgemäß kamen sie zu einer Gruppe nebeneinander aufgehängter Bilder.
    »Der Glaubenstod von drei seligen Märtyrern«, sagte das Kind. Jeder der Märtyrer war auf andere Weise gestorben: durch Verschmoren auf einem sehr ausgekugelten Bratrost; durch Ausweidung; schließlich durch einen Vorgang, bei dem ein riesiges Rad Verwendung fand. Die Gemälde waren im Unterschied zu einigen anderen außerordentlich gut erhalten. Die dritte Gestalt der Märtyrergruppe war eine junge Frau. Sie war nackt gemartert worden und von großer, immer noch lebensvoller Schönheit. Daneben hing ein weiteres kleines Bild, das einen Heiligen zeigte, der seine eigene Haut schleppte. Zwischen den Säulen zur Rechten befand sich ein gewaltiges schwarzes Kreuz. Aus einer gewissen Entfernung wirkte die durchbohrte Gestalt höchst lebensecht.
    Das Kind sprang immer noch vor Trant herum und ließ seine Behinderung dabei so augenscheinlich werden, daß dieser gerührt war. Sie bogen erneut um eine Ecke. Am Ende des Wandelganges vor ihnen lag das schimmernde, blitzende Objekt, das Trant von der gegenüberliegenden Seite der Krypta her aufgefallen war. Das Kind rannte fast darauf zu, ohne die weiteren Sehenswürdigkeiten zu beachten, und erwartete ihn bei dem Objekt. Der Kopf des Kindes war gesenkt, aber Trant konnte sehen, wie es ihn durch seine hellen, seidigen Wimpern hindurch anblickte.
    Diesmal sagte das Kind nichts, und Trant konnte nur schauen.
    Das Objekt war ein bemerkenswert kunstvoll gestalteter, juewelenbesetzter Reliquienschrein aus der Renaissance. Vermutlich hatte die Juwelen den Anschein funkelnder Lichter erweckt, da Trant nunmehr nichts dergleichen sah. Im Zentrum des Schreins befand sich ein durchscheinender vertikaler Tubus oder Zylinder. Er war nur knapp drei Zentimeter hoch und bestand wahrscheinlich aus Kristall. Darin befand sich – kaum sichtbar – ein kurzer schwarzer Faden, fast wie die Quecksilbersäule in einem winzigen Thermometer, der Boden des Tubus wies, wie Trant feststellte, eine deutliche Verfärbung auf.
    Das Kind stand immer noch in der gleichen seltsamen Haltung da, warf verstohlene Blicke auf Trant, um dann gleich wieder wegzuschauen. Sein Lächeln war vielleicht ein wenig deutlicher, sein Kopf aber war so tief gesenkt, daß Trant es nicht genau erkennen konnte. Seine ganze Haltung und sein Betragen deuteten an, daß es mit dem Reliquienschrein eine Bewandtnis hatte, die Trant sich selbst erschließen mußte. Es war fast, als ob das Kind neugierig die Zeit erwartete, die er dafür brauchen würde.
     
    Zeit, dachte Trant, immer wieder die Zeit; und nun schon wieder. Der Reliquienschrein war so faszinierend, daß er ihn beinahe die Zeit vergessen ließ. Er wandte den Blick dem letzten Abschnitt des Wandelganges zu, der zum Fuß der Treppe führte, die er hinabgestiegen war. Während er den Reliquienschrein betrachtet hatte, hatte jemand anders die Krypta betreten. Ein Mann stand inmitten des Durchgangs, nicht weit von Trant entfernt. Ein Mann? Nicht ganz: Es war, wie Trant erkannte, der Chorknabe in der roten Soutane, der die Füße des Kruzifixes poliert hatte. Trant zweifelte nicht daran, daß er gekommen war, um ihn hinauszuweisen.
    Erfüllt von einem grundlosen Schuldbewußtsein, beeilte er sich, ohne sich angemessen bei seinem kindlichen Führer zu bedanken. Doch als er den Jungen in der Soutane erreichte, streckte der schweigend seine Arme in voller Länge aus und schien ihm gegen jede Erwartung den Weg zu versperren.
    Die Situation war ziemlich absurd, vor allem die Vorstellung, man müsse sich auf der Stelle nach rechts wenden, um sich durch die gotischen Säulen zu schlängeln.
    Tatsächlich aber wandte Trant seinen Kopf instinktiv in diese Richtung. Aber in dem Durchlaß zwischen den Säulen zu seiner Rechten stieß er auf den transatlantischen Jüngling mit der grünen Windjacke. Er zeigte den allermerkwürdigsten Gesichtsausdruck (anders als der Junge in der Soutane, der immer noch wie ein Bauerntölpel wirkte), sobald er Trant erblickte, streckte er in gleicher

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