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schlechter Einfluß für mich sein würden, außerdem war ich sowieso immer der Frischling in der Herde. Ich war ein hundsmiserabler Verkäufer, und ich war einsam – ich sage das nicht nur so, ich war wirklich mutterseelenallein. Ich haßte dieses Leben, aber schließlich hatte Onkel Elias versprochen, sich um mich zu kümmern, und ich hatte ohnehin keine Ahnung, was ich sonst hätte tun sollen. Ich hielt es über zwei Jahre im Außendienst aus, dann erfuhr ich von meiner jetzigen Stelle bei der Baugenossenschaft – ich las, genauer gesagt, eine Anzeige in der Regionalzeitung –, so daß ich Onkel Elias endlich sagen konnte, wohin er sich seine Billiglebensmittel stecken sollte.
    Meistens stiegen wir in kleinen Hotels ab, einige davon waren nicht einmal schlecht, weder die Zimmer noch die Verpflegung. Aber in ein paar Städten gab es Spezialetablissements, die Onkel Elias kannte und in denen ich und sein regulärer Handlungsreisender, ein trauriger Bursche namens Bantock, auf Onkel Elias Anweisung absteigen mußten. Bis zum heutigen Tag ist mir der Grund dafür unklar. Seinerzeit war ich ziemlich sicher, daß für meinen Onkel etwas dabei heraussprang, was immerhin eine naheliegende Vermutung war, aber inzwischen frage ich mich, ob die späten Mädchen, die die Unterkünfte führten, nicht in mehr oder weniger ferner Vergangenheit die Flammen meines Onkels gewesen waren. Einmal ging ich so weit, Bantock danach zu fragen, aber er antwortete bloß, er habe keine Erklärung dafür. Jenseits der aktuellen Preise für Seifenflocken und Scotch ließ Bantock nur wenig Wissen erkennen. Er hatte 42 Jahre für meinen Onkel im Außendienst gearbeitet, als er eines Tages in Rochdale plötzlich mit einer Thrombose tot umfiel. Mrs. Bantock jedenfalls war jahrelang immer wieder mal eine der Freundinnen meines Onkels gewesen. Das wußte jeder.
    Die Frauen, die die Unterkünfte leiteten, benahmen sich so, als stimmte meine Vermutung. Man kann sich solche Spelunken kaum vorstellen. Die ganze Nacht Lärm, so daß man unmöglich ein Auge zutun konnte, halbbekleidete Nutten, die an die Tür hämmerten und kreischten, man habe sie übers Ohr gehauen oder gewürgt. Manche Reisenden brachten sogar Jungen mit – etwas, das ich nie habe verstehen können. Man hört und liest von sowas und ich habe es, wie gesagt, oft sogar selbst gesehen, aber ich verstehe es trotzdem nicht. Und mittendrin ich, rein und unbefleckt. Die Frauen, die den Laden schmissen, zogen mich oft damit auf. Wie der alte Bantock damit zurechtkam, weiß ich nicht. Ich stieg nie zur selben Zeit wie er in einem dieser Läden ab. Komisch daran war nur, daß meine Mutter glaubte, ich sei in einem dieser Spezialetablissements besonders gut aufgehoben, weil ihr Bruder, der doch Bantock und mich zu unserem Besten dorthin schickte, höchstpersönlich für sie bürgte.
    Natürlich betraf das jeweils nur ein paar Nächte während der Handlungsreisen. Aber es ergab sich immer dann, wenn ich ganz allein war. Mir fiel auf, daß wir sie, wenn Bantock mich begleitete, um mir ein paar Einleitungs- und Eröffnungsfloskeln beizubringen, in jenen Städten fanden, wo wir auch in gewöhnlichen Hotels hätten unterkommen können. Wie dem auch sei, Bantock mußte genau wie ich die Spezialetablissements aufsuchen, wenn sich die Notwendigkeit ergab, obwohl er nie ein Wort darüber verlor.
    Einer der Orte, der auf meines Onkels Absteigenliste verzeichnet war, war Wolverhampton. Dort hatte ich zum ersten Mal die Nase voll, nachdem ich vielleicht vier oder fünf Monate im Geschäft war. Es war mitnichten mein erster Aufenthalt in einem solchen Etablissement, aber eben deshalb verließ mich der Mut erst recht, als ich die Unterkunft in Augenschein nahm und von der üblichen triefäugigen Kuh mit Lockenwicklern und dreckigem Kittel eingelassen wurde.
    Es gab dort rein gar nichts, was man hätte tun können; nicht mal rumhängen und fernsehen konnte man. Das einzige, was in Frage kam, war rauszugehen und sich vollaufen zu lassen – oder jemand nach dem Kino mit aufs Zimmer zu nehmen. Nichts davon reizte mich sonderlich, und so ging ich schließlich in der Stadt spazieren. Es muß später Frühling oder Frühsommer gewesen sein, denn es war angenehm warm, nicht zu heiß, und es dämmerte eben erst, als ich – in einem Café – meinen Tee beendet hatte, denn das Etablissement kam nicht einmal für Tee auf.
    Ich schlenderte durch die Straßen von Wolverhampton, und alle Mädchen kicherten über mich,

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