gedauert hätte. Wie ich schon gesagt habe, war Madonna verblüffend schnell. Mir fiel nichts ein, was ich hätte sagen oder tun können. Zumal so wenig Zeit dazu blieb.
Als sie sich angekleidet hatte, machte sie eine erschreckend bedeutsame Geste in meine Richtung, hob etwas auf, als könne sie wirklich im Dunkeln sehen. Dann hatte sie die Tür entriegelt und war hinausgehuscht.
Sie hatte die Tür zum dunklen Treppenabsatz offengelassen (wir hatten Minutenlicht), und ich konnte das Klick-Klack ihrer Schritte im Treppenhaus hören, bis sie so mühelos und lautlos durch die Eingangstür gegangen war, daß man hätte annehmen mögen, sie wohne hier. Für die übliche Kundschaft war es indessen noch etwas zu früh am Tag.
Ich fühlte mich nun buchstäblich körperlich krank. Aber immerhin konnte ich meine Beine wieder gebrauchen. Ich stand vom Bett auf, schloß und verriegelte die Tür und machte Licht.
Es gab nichts Besonderes zu sehen. Nur meine herumliegenden Kleidungsstücke, meinen durchgeweichten Regenmantel in der Ecke und das zerwühlte Bett. Das Bett sah aus, als habe sich ein riesiges Monster seinen Weg hindurchgebahnt, aber nirgendwo im Zimmer war Blut. Genau wie bei der Sache mit den Schwertern.
Als ich daran dachte und an das, was ich getan hatte, mußte ich mich übergeben. In den Zimmern gab es weder fließendes kaltes noch warmes Wasser, und ich erbrach mich in die altmodische Waschschüssel mit den verblichenen Blumen und den Daumennagel-Scharten am Rand, bis sie halbvoll war.
Ich warf mich auf das zerwühlte Bett, zu erschöpft, die Schüssel auszuleeren, das Licht auszuschalten oder mich auch nur zuzudecken, obwohl ich noch immer nackt war und die Nachtkälte in das Zimmer drang.
Ich hörte, wie die üblichen Geräusche auf der Treppe und in den anderen Zimmern begannen; dann wurde unerwartet und geschäftsmäßig an meine Tür geklopft.
Es war nicht die Sorte Haus, wo es sonderlich sinnvoll gewesen wäre, »wer da?« zu fragen. Ich stand also wieder auf, diesmal steif gefroren, und zog, da ich keinen Bademantel mitgenommen hatte, meinen Regenmantel über, irgendetwas mußte ich schließlich anziehen, um die Tür zu öffnen. Andernfalls würde das Klopfen weitergehen, und es würde Beschwerden geben, die sehr unerfreulich ausfallen konnten.
Es war der Bursche mit dem blauen Pullover, der Seemann oder Conferencier oder was auch immer. Irgendwie hatte ich es gewußt.
Ich kann nicht viel hergemacht haben, wie ich zitternd und nur in meinem nassen Regenmantel vor ihm stand, vor allem da die ganze Zeit über das allgemeine Geschrei und Gepolter aus den anderen Zimmern zu hören war. Und natürlich hatte ich nicht die leiseste Ahnung, welchen Kurs der Kerl einschlagen würde.
Ich hätte mir keine Gedanken machen brauchen. Darüber jedenfalls nicht im mindesten.
»Show gut gelaufen?« war alles, was er wissen wollte, und als stehe er auf seiner Bühne, starrte er dabei geradeaus in die Ferne, ohne jemanden oder etwas ins Auge zu fassen; sein Tonfall indessen war ziemlich freundlich, immer vorausgesetzt, jeder reagierte auf die richtige Weise.
»Ich glaube schon«, antwortete ich.
Ich machte wohl keinen besonders entgegenkommenden Eindruck, aber das schien ihn nicht sehr zu stören.
»Dürfte ich dann um das Honorar bitten? Es tut mir leid, daß ich Ihren Schönheitsschlaf störe, aber wir ziehen in der Frühe weiter.«
Ich hatte keine Ahnung gehabt, welche Zahlungsweise von mir erwartet wurde, also hatte ich die zehn Pfund, den Fünfer von Mr. Edis und fünf einzelne Pfundnoten eigenes Geld gebündelt in eine Schubladenecke gelegt, bevor ich in den Regen hinausgelaufen war, um Madonna zu empfangen.
Ich gab ihm das Geld.
»Danke«, sagte er, zählte nach und steckte es in seine Hosentasche. Ich bemerkte jetzt, da er direkt vor mir stand und ich ihn aus der Nähe betrachten konnte, daß sogar seine Hosen augenscheinlich Seemannshosen waren. »Alles klar?«
»Ich glaube schon«, sagte ich noch einmal. Ich hatte nicht die Absicht, mich ihm in irgendeiner Weise anzuvertrauen.
Ich sah, daß er mich nun mit seinen schmalen tiefliegenden Augen musterte. Genau in diesem Augenblick gellte ein wilder Schrei aus einem der unteren Stockwerke. Es war wohl der lauteste menschliche Schrei, den ich bis dahin gehört hatte, das galt selbst für Etablissements dieser Sorte.
Doch der Mann nahm keine Notiz davon. »Na denn«, sagte er.
Aus irgendeinem Grund zögerte er einen Augenblick und streckte dann
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