behagte mir ganz und gar nicht, aber ich nahm an, ich würde ihm ein paar Lügen auftischen oder sogar mein Wort brechen und gar nicht wiederkommen können. Und ich hatte keine andere Wahl.
»Sicher, Mr. Edis. Kein Problem.«
Sofort gab er mir den Fünfer.
»Guter Junge«, sagte er. »Holen Sie sich bei ihr den Gegenwert, und denken Sie dabei an mich, obwohl ich das nicht ernsthaft erwarte.«
Was die restlichen fünf Pfund betraf, die konnte ich wahrscheinlich selbst aufbringen, indem ich in den nächsten Wochen ein wenig knauserte und nötigenfalls die Bücher ein wenig frisierte, wie es bei uns üblich war. Auf jeden Fall, und das hatte auch mit meinem Alter zu tun, haßte ich all das Gerede über Geld. Ich haßte das Gerede darüber weit mehr als den Gelderwerb selbst. Ich sah Madonna keinesfalls in diesem Licht; ich hätte mich dafür geschämt. Nach ihren Worten zu urteilen, sah sie mich ebenfalls nicht so. Nicht daß ich eine klare Vorstellung davon gehabt hätte, wie sie mich sah. Ich hakte das Thema ab, indem ich mich bemühte, gar nicht über diese Frage nachzudenken.
Das Spezialetablissement meines Onkels Elias in Wolverhampton gehörte nicht zu der Sorte von Häusern, wo Besucher anklingelten und von einem Domestiken eingelassen wurden. Man mußte sich ein wenig auskennen, um überhaupt hineinzukommen, wenn man nicht selbst dort wohnte, erst recht, wenn man eine bestimmte Person finden wollte. Gegen halb zehn hielt ich es für das beste, vor die Tür zu gehen, um draußen herumzuschlendern – nicht direkt vor der Haustür, weil das zu mancherlei Mißverständnissen und Schwierigkeiten hätte führen können, sondern von einem Ende der Straße zum anderen, die Augen offen und die Ohren gespitzt für das Klackern zierlicher Füße auf dem Gehweg.
Es war schon fast dunkel, aber noch nicht ganz. Nur noch ein paar Gestalten hielten sich in der Nähe auf, was zum Teil daran lag, daß es leicht nieselte, wie es für die Midlands typisch ist; ein sachter, verhaltener Regen, den man kaum wahrnimmt, der aber alles zu durchnässen scheint. Ich bin ziemlich sicher, daß ich früher auf Posten gewesen wäre, wenn der Regen nicht gewesen wäre. Ich brauche wohl nicht zu erwähnen, daß ich wie auf heißen Kohlen stand. Es war mir gelungen, die Pastete am Nachmittag zwischen zwei Terminen herunterzuwürgen. Gerade als es zu regnen begann, kämpfte ich damit auf einer Bank. Gegen halb sieben hatte ich eine Tasse Tee und ein Bohnengericht in demselben Café wie am Vorabend zu mir genommen. Im Grund war mir all das zuwider gewesen. Ich hatte nur das Gefühl, ich sollte in Anbetracht der kommenden Ereignisse etwas essen. Auch wenn ich naturgemäß eine bemerkenswert ungenaue Vorstellung von diesen Ereignissen hatte. Das ist beim ersten Mal immer so, ganz gleich, wie viel man von anderen gehört oder sonstwie aufgeschnappt hat. Ich wäre in miserabler Verfassung gewesen, wenn eine andere Frau anstelle meiner reizenden Madonna zu mir unterwegs gewesen wäre.
Und da war sie, pünktlich auf die Minute oder sogar ein bißchen zu früh. Sie trug dieselben Kleider wie am Morgen. Zu groß und zu altmodisch für sie; und sie hatte keinen Regenschirm, keinen Regenmantel und trug keinen Hut.
»Sie sind naß geworden«, sagte ich.
Sie erwiderte darauf nichts, aber in ihren Augen glaubte ich lesen zu können, daß sie erfreut war, mich zu sehen. Falls sie ihren grünen Puder aufgetragen hatte, so war er jetzt abgewaschen.
Ich dachte zuerst, sie hätte wenigstens eine Handtasche mitgebracht, aber das war nicht der Fall.
»Kommen Sie herein«, sagte ich.
Den Hausgästen gab man einen Schlüssel (gegen Hinterlegung eines Pfandbetrages), so kamen wir gottlob durch das Foyer und das Treppenhaus, ohne jemandem zu begegnen oder etwas aus den Korridoren zu hören, obwohl mein Zimmer im obersten Stockwerk lag.
Sie setzte sich auf mein Bett und blickte zur Tür. Nach dem Vorgespräch wußte ich, was zu tun war, und schloß ab. Es war ganz einfach. An einem Ort wie diesem war das Abschließen eine Selbstverständlichkeit. Ich zog meinen Regenmantel aus und ließ ihn in einer Ecke liegen. Ich hatte das Licht nicht eingeschaltet. Ich war nicht sonderlich stolz auf mein Zimmer.
»Sie müssen völlig durchnäßt sein«, sagte ich. Bis zum Rummelplatz war es nicht allzu weit, aber diese Art Regen ging, wie ich schon sagte, durch und durch.
Sie stand auf und zog ihr viel zu weites schwarzes Jackett aus. Sie blieb stehen und wartete, bis
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