Margaret so kalt, wie ihr zuvor noch warm gewesen war. Sie hätte gern Hosen getragen, aber Henry ließ durchblicken, das würde ihren Status schmälern, der ohnehin nicht allzu stabil war. Wenn Margaret darauf hinwies, wie viele der schwedischen Frauen Hosen trugen, erwiderte er unweigerlich, daß genau dies einer der Gründe sei, warum sie es nicht tun sollte.
    Henrys Haltung in dieser Sache und die Möglichkeit eines daraus resultierenden Streits zwischen ihnen waren, soweit es Margaret betraf, der Hauptgrund dafür, daß sie am Sonntag eine Autofahrt in die Berge unternahmen statt einer Wanderung, wie die Schweden zuerst vorgeschlagen hatten. Sie konnte nach ihrem Empfinden kaum eine Klettertour in einem zweiteiligen Kostüm von Kendall & Milnes sowie fragilen, fast partymäßigen Schuhen antreten, vor allem angesichts der Tatsache, daß so viele Leute auf dem Kontinent dazu neigten, schon für einen Nachmittagsspaziergang einen Kampfanzug anzulegen. Die Schweden würden sie auslachen, und Henry würde, wie immer sie auch die Situation meisterte, schmollen. Es war bemerkenswert, wie nahe Männern solche Dinge anscheinend gingen, da ihre Einstellung zur Frage angemessener Kleidung fast immer von völliger Gleichgültigkeit bestimmt war.
    Deshalb fuhren sie zu sechst mit dem Auto los, immer höher, über Straßen, die so wenig Ähnlichkeit mit denjenigen hatten, die Henry baute, daß es jedes menschliche Maß unterbot. Die Koniferen, die weite Teile Schwedens bedecken, die Tümpel, Sümpfe und kleinen Seen, die so viel von seiner Fläche beanspruchen, wirkten traurig und auch ein wenig geheimnisvoll und vieldeutig, aber Margaret bezauberte gerade diese Monotonie, wenngleich sie zusammen mit einem Ehepaar auf dem Rücksitz des großen Volvo saß, dessen Ehrgeiz es war, dafür Sorge zu tragen, daß ihr absolut nichts entging. Der Zauber lag vielleicht in der Verbindung von Monotonie und Grenzenlosigkeit. Sie hatte bereits viel derartige Landschaft auf dem Weg von Stockholm hierher gesehen; sie wußte, daß sie sich nach Norden hinauf bis zum Beginn der Tundra erstreckte, und sie hatte bemerkt, welcher Unterschied zwischen schwedischen Entfernungen und deren Aussehen in einem handelsüblichen Schulatlas bestand.
    Es führten keine Pfade durch die Baumwildnis, wie sie sich in den meisten Waldgebieten Englands erhalten haben, es gab keine Schneisen, überhaupt keine erkennbare Möglichkeit, die Wälder betreten zu können, außer durch gewaltsames Eindringen. Die Wirkung war nicht so sehr, daß die Millionen Koniferen eine gewaltige versunkene Stadt oder eine Zwergenrasse bergen mochten, sondern vielmehr, daß sie möglicherweise fähig waren, aus sich selbst heraus Kräfte jenseits aller botanischen Kategorien zu erzeugen und auszusenden, Kräfte, die man erst nach langen und beschwerlichen Wanderungen wahrnehmen würde, weil viel Zeit und Distanz erforderlich wäre, sich von Maschinen zu lösen, wie Henry sie hatte, und von dem Leben, wie es im Vorstadtparadies Cheshire herrschte.
    Sie kamen zu einer hochgelegenen Stelle. Der Wagen hielt an, und sie stiegen aus.
    »Verlassen Sie nicht die Straße«, rieten die Schweden. »Sie werden bis zu den Knöcheln einsinken.«
    Margaret hielt das für eine Übertreibung, aber es war doch sonderbar, daß von Frauen erwartet wurde, sich sogar zu höchst unpassenden Gelegenheiten in erster Linie als Sexobjekt zu verhalten, auch wenn sie die Vierzig überschritten hatten und Sex so ziemlich das letzte war, das Männer wie Henry zu beschäftigen schien, jedenfalls soweit es die eigene Frau betraf. Und zu allem Überfluß blies ein eisiger Wind, wie Margaret ihn aus England nicht gewohnt war.
    Dennoch gewärtigte sie den Zauber und sah sich um. Von dieser Höhe aus reichten die dunkelgrünen Bäume bis zu den Grenzen der Welt. Unmittelbar unter ihr bot sich wie ein großer, unregelmäßiger Riß im Grün der Orm ihrem Blick in seiner ganzen Ausdehnung dar, jene Quadratmeilen schwarzer Wasserfläche, an deren Rand die winzige Stadt lag, und jene gewundenen Oktopusarme, die sich nach ihr ausstreckten. Sovastad sah aus wie Schnecken auf hartem Fels – oder wie die erste von Menschen erbaute Stadt. Die Trasse der neuen Straße grub eine weitere Schneise durch die Waldgebiete, aber außerhalb von Sovastad war in dem gesamten Panorama kaum ein Gebäude auszumachen.
    Als sie aber nach wenigen Schritten auf dem Gipfel des Hügelkamms standen, von dem aus sich ein Meer von Grün grenzenlos