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0001 - Das Schloß der Dämonen

0001 - Das Schloß der Dämonen

Titel: 0001 - Das Schloß der Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Wiemer
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Halle schlug zwölfmal. Mitternacht!
    Die Schläge waren dumpf und leise - aber Zamorra hörte sie trotzdem. Er konnte nicht schlafen. Ausgestreckt, noch völlig angezogen, lag er auf dem Bett, lauschte auf die geheimnisvollen Geräusche des alten Hauses und dachte nach. Morgen früh wollte Maitre Aubert das Testament Louis de Montagnes verlesen. Zamorra war ziemlich sicher, daß sein Onkel ihm das Schloß vermacht hatte. Und er überlegte, was er damit anfangen sollte. Er hatte Château Montagne immer geliebt, obwohl er nicht hier aufgewachsen war. Der Gedanke widerstrebte ihm, es zu verkaufen oder unter der Obhut Fremder verfallen zu lassen.
    Aber welche Möglichkeiten gab es sonst? Hier leben? Sich tatsächlich in die Einsamkeit, die versponnene Abgeschiedenheit dieser mittelalterlichen Welt zurückziehen und… Warum eigentlich nicht?
    Der Gedanke faszinierte ihn plötzlich. Hier, in der Dunkelheit, umgeben von dem seltsamen, knisternden und atmenden Leben des alten Gemäuers, erschienen ihm der Lärm und die Hetze New Yorks unendlich weit entfernt. Er würde die Wohnung in den Staaten natürlich behalten müssen - schon aus beruflichen Gründen. Aber sein Beruf, vor allem seine Forschungen auf dem Gebiet von Psychologie und Parapsychologie, ließen sich nicht durch Anspannung, Arbeit und Streß bewältigen, sondern erforderten Ruhe, Besinnung, Konzentration. Eine Konzentration, für die Château Montagne im Grunde ideale Voraussetzungen bot. Er rieb sich über die Stirn, als wolle er den Gedanken wegwischen. Es war sinnlos, schon jetzt darüber nachzugrübeln. Mit einem tiefen Atemzug richtete er sich auf, knipste die Nachttischlampe an und griff nach den Zigaretten, die ihm vor allem auf Reisen die gewohnte Pfeife ersetzten. Nach ein paar Zügen beschloß er, noch einmal in die Bibliothek zu gehen.
    Normalerweise saß er um diese Stunde oft noch in seinem Arbeitszimmer. Nachts kamen ihm die besten Ideen. Die Stille, die unbegrenzte, durch keinen Tagesrhythmus verplante Zeit - das alles pflegte inspirierend auf ihn zu wirken, und der Gedanke, in aller Ruhe bei einem Kognak und einer Pfeife in den alten Chroniken zu blättern, erschien ihm plötzlich äußerst verlockend. Er drückte die Zigarette aus und verließ das Zimmer. Um niemanden zu wecken, schaltete er kein Licht ein, sondern benutzte seine Taschenlampe.
    Wie ein Geisterfinger strich der helle Strahl über die Wände. Die Dielenbretter des Wehrgangs knarrten leise. Zamorra schlenderte an den schmalen, verglasten Schießscharten vorbei, ließ den Blick müßig über den dunklen Burghof gleiten - und blieb ein paar Sekunden später stehen. In der Bibliothek brannte Licht. Ein heller Streifen fiel durch die Bodenritze unter der Tür. Kein Laut war zu hören - aber offensichtlich interessierte sich noch jemand anders für die alten Bücher. Es war Instinkt, der Zamorra darauf verzichten ließ, wie ein normaler Mensch an die Tür zu klopfen. Er schaltete die Taschenlampe aus. Seine Hand fand die Klinke. Behutsam drückte er sie nieder, und die schwere Tür schwang langsam zurück. Nur die wuchtige, mit Pergament bespannte Stehlampe verbreitete ihren warmen Schein in der Bibliothek. Charles Vareck saß in einem der Sessel.
    Er saß gespannt da, leicht vorgeneigt, ein in Leder gebundenes Buch lag auf seinen Knien und… Die Angeln quietschten. Schrill, mißtönend zerschnitt das Geräusch die Stille. Vareck fuhr zusammen. Das Buch polterte zu Boden, der Mann riß den Kopf herum, und seine aufgerissenen Augen starrten zur Tür. Augen, in denen Angst flackerte. Nackte, panische Angst, die in keinem Verhältnis zur Situation stand. Zamorra lächelte leicht.
    »Hallo«, sagte er. »Ich sehe…«
    Vareck bückte sich nach dem Buch.
    Etwas Verkrampftes, Lauerndes lag in seiner Bewegung. Und dann reagierte er so schnell und so völlig unsinnig, daß Zamorra für einen Moment überrascht wurde. Das Buch wirbelte durch die Luft.
    Zamorra konnte nicht ausweichen. Im letzten Moment riß er den Kopf zur Seite, doch eine Kante des schweren Bandes streifte seine Schläfe. Er taumelte zurück, landete mit dem Rücken an der Türzarge, und für einen Moment drohte es dunkel um ihn zu werden. Er riß die Augen auf. Dicht vor sich sah er Varecks verzerrtes Gesicht. Ein Faustschlag erwischte ihn am Kinnwinkel, ein zweiter Hieb schlug in seinen Magen ein. Er krümmte sich, und Vareck fing ihn mit einem scharf gezogenen Uppercut ab, der ihn erneut gegen die Tür zurückwarf. Vor

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