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0001 - Das Schloß der Dämonen

0001 - Das Schloß der Dämonen

Titel: 0001 - Das Schloß der Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Wiemer
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Zamorras Augen flimmerten bunte Funken. Er spürte den Gegner mehr, als er ihn sah, fühlte sich reichlich schwach auf den Beinen. Aber er pflegte sich durch ständiges sportliches Training fit zu halten, er beherrschte außer Boxen und Karate noch ein halbes Dutzend anderer Kampfarten, und so leicht war er nicht auf die Bretter zu schicken. Charles Vareck merkte das schon im nächsten Augenblick. Zamorra stieß sich von der Tür ab. Er war angeschlagen, immer noch unsicher, aber seine Reflexe funktionierten wieder. Worum es ging, war ihm immer noch schleierhaft. Er konnte sich nichts vorstellen, bei dem er Vareck möglicherweise ertappt hatte, und er verstand dessen Reaktion nicht.
    Er begriff überhaupt nichts - außer, daß er angegriffen wurde, hart, rücksichtslos und brutal, und daß er genauso hart und kompromißlos zurückfighten mußte. Den nächsten Hieb unterlief er. Vareck wurde vom eigenen Schwung nach vorn gerissen. Er rannte förmlich in den Konter hinein. Zamorra hatte blindlings zugeschlagen, nur mit dem Ziel, sich etwas Luft zu verschaffen, und als Vareck zurücktaumelte, tänzelte er zur Seite, nahm die Deckung hoch und schüttelte den Kopf, um das wattige Gefühl loszuwerden. Sein Gegner keuchte.
    Drei, vier Schritte wurde er in den Raum zurückgetrieben, dann fing er sich wieder. Seine Augen waren weit aufgerissen, seltsam starr. Aber es war nicht die glasige Starre des angeknockten Boxers, sondern etwas anderes, Fremdes; etwas, das sich Zamorra nicht erklären konnte. Er kam nicht dazu, weiter darüber nachzudenken. Erneut stürzte sich Vareck auf ihn - und er griff an mit einer Wildheit, einer Rücksichtslosigkeit und selbstzerstörerischen Besessenheit, die nicht mehr normal sein konnte. Zwei, drei präzise Konterschläge nahm er, ohne Wirkung zu zeigen. Wie ein Rammbock prallte er auf seinen Gegner, trieb ihn auf den Gang hinaus.
    Zamorra wich zurück, suchte die Distanz, um sich nicht rein zufällig einen Heumacher einzuhandeln - aber auf diese Art war Charles Vareck nicht mehr zu bremsen. Er hatte sich in einen Roboter verwandelt, eine Kampfmaschine ohne Vorsicht und ohne Vernunft. Sein Gesicht war bleich und verzerrt, die Augen glühten, sein Atem ging pfeifend und stoßweise. Zamorra spürte fast erschrocken den nackten, mörderischen Vernichtungswillen, der ihm entgegenschlug. Warum? dachte er verzweifelt. Warum, zum Teufel, spielte dieser Mann verrückt?
    Weil er die Bibliothek betreten hatte? Weil er irgend etwas in den alten Büchern suchte? Etwas, das…
    Varecks Fäuste schossen vor. Zamorra wich aus, steppte zur Seite. Mechanisch blockte er einen linken Haken ab, ging auf Halbdistanz, schlug eine Serie von schnellen, gestochenen Geraden, und Vareck wurde Meter um Meter durch den schmalen Wehrgang zurückgetrieben. Einmal verlor er das Gleichgewicht. Sein Fuß verhakte sich irgendwo, er geriet ins Stolpern. Instinktiv warf er sich zurück und verlängerte den Sturz zu einer Rolle. Er kam wieder auf die Beine, klammerte sich an der Fensterbank fest - aber die Sekunde der Unsicherheit ließ ihn begreifen, daß er auf der Verliererstraße war. Tief auf dem Grund seiner Pupillenschächte schien etwas zu zerbrechen. Panik flackerte in Varecks Augen auf. Mit einem keuchenden, halberstickten Laut stieß er sich von der Fensterbank ab, wirbelte um die eigene Achse und rannte blindlings durch den schmalen Gang davon. Zamorra holte tief Luft.
    »Charles!« rief er. »Seien Sie vernünftig! Bleiben Sie stehen!«
    Vareck hörte nicht. Panik peitschte ihn vorwärts. Er erreichte das Ende des Wehrgangs, aber er machte keinen Versuch, die ehemalige Kemenate zu betreten, sondern riß die Tür auf, die zu der schmalen, steilen Außentreppe führte. Zamorra setzte ihm nach. Wäre er gefragt worden - er hätte nicht zu sagen gewußt, warum er das tat. Es war Instinkt. Oder Ahnung. Eine dunkle, unerklärliche Vorahnung, die ihm sagte, daß er keine Gelegenheit mehr haben würde, mit Charles Vareck zu sprechen, und daß er ihn jetzt einholen mußte, wenn er das Rätsel dieses sonderbaren Zwischenfalls lösen wollte. Vareck war bereits draußen auf dem Treppenabsatz. Er hastete die Stufen hinunter. Das letzte Stück sprang er, landete federnd auf dem Kopfsteinpflaster und rannte wie von Furien gehetzt über den dunklen Burghof.
    Zamorra folgte ihm. Er riskierte lieber nicht, sich die Knochen zu brechen, aber als er die Treppe hinter sich hatte, mobilisierte er seine Reserven. Varecks Vorsprung schmolz.

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