0001 - Im Nachtclub der Vampire
Handrücken wischte er sich das Blut von der Haut. »Du Miststück. Warte, ich werde dich…«
Er überhörte das Fauchen und achtete auch nicht auf die blonde Mona, die von der Seite kam. Wild stürmte er auf Lara zu. Die Hand mit dem Messer hatte er zum Stoß erhoben.
Die Klinge fuhr herab, traf Lara in Höhe der Brust. Im gleichen Augenblick spürte der Mann zwei Hände an seiner Schulter. Hände, die wie eiserne Klammern zupackten und ihn zurückrissen.
Er stürzte.
Im Fallen ließ er den Griff des Messers los und bekam noch mit, daß es im Körper der Frau steckte. Er wußte nicht, daß es ihr keinen Schaden zufügen konnte.
Hart prallte er auf den Boden auf. Für einen Sekundenbruchteil tanzten Sterne vor seinen Augen. Er wollte sich zur Seite rollen, doch Mona warf sich wuchtig auf ihn und machte ihn bewegungsunfähig.
Weit hatte sie den Mund geöffnet. Ihre Zähne blitzten.
Und als dem Zuhälter die Erkenntnis kam, daß er es hier mit Vampiren zu tun hatte, da war es schon zu spät.
Die Zähne bohrten sich in seinen Hals.
Der Zuhälter fühlte einen seltsamen Schwindel: Immer schneller drehte er sich, immer schneller…
Die drei Frauen hätten ihr zweites Opfer.
Sie schleiften den Zuhälter in das Innere des Lokals. Dort geschah mit ihm das, was auch schon mit Ted Willard passiert war.
Ginny kicherte und wischte sich über die Lippen. »Wir haben noch einen zweiten Sarg«, sagte sie.
»Ja, es werden immer mehr«, erwiderte Mona. Dann sah sie Ginny an. »Du veränderst dich wieder, Liebling.«
»Tatsächlich?«
»Ja, deine Haut wird wieder normal.«
Ginny lachte. Sie begann zu tanzen und führte dabei groteske Sprünge durch. »Das ist das Blut! Sein Blut… es macht mich…«
»Haltet den Mund!« schrie Lara.
Ginny verstummte, und auch Mona wagte nichts zu sagen.
Lara blickte ihre Schwestern kalt an. »Wo ist die andere?«
»Wer?« hauchte Mona.
»Frag nicht so dämlich. Dieses Mädchen?«
»Weg«, erwiderte Ginny mit leiser Stimme.
»Das habe ich geahnt!« flüsterte Lara. »Jetzt weiß jemand, was hier los ist. Wir müssen dieses Mädchen finden, und wenn wir ganz London auf den Kopf stellen! Ist das klar?«
Mona und Ginny nickten.
***
Marina Held rannte!
Die Angst peitschte sie voran. Das junge Mädchen sprintete den Weg zurück. Ihre Füße schienen kaum den Boden zu berühren. Die dicken Sohlen der Turnschuhe schluckten jedes Geräusch. Fast lautlos jagte sie der Straße entgegen.
Es kümmerte sie nicht, was hinter ihr geschah. Ihr war das Schicksal des Zuhälters egal. Mochten die Frauen mit ihm machen, was sie wollten.
Marina erreichte die schmale Straße. Instinktiv wandte sie sich nach links, lief an der Plakatsäule vorbei und drehte erst jetzt kurz den Kopf.
Nichts. Kein Verfolger saß ihr im Nacken.
Marina atmete auf. Sie lief langsamer. Obwohl sie sportlich durchtrainiert war, arbeiteten ihre Lungen wie Blasebälge. Der Lauf und die Angst hatten ihr arg zugesetzt.
Die Gedanken überschlugen sich. Was war eigentlich geschehen? Sie hatte einen Vampir gesehen. Einen weiblichen sogar. Und sie hatte gesehen, wie zwei andere Vampire einen Mann in einen Sarg hieven wollten, Spaß? Ernst? Gab es überhaupt Vampire?
Marina wußte es nicht. Sie ahnte nur, daß etwas nicht mit rechten Dingen zugegangen und sie unter Umständen Zeugin eines Verbrechens geworden war.
Sie mußte das Verbrechen melden.
Der Polizei?
Marina dachte nach. Und plötzlich fiel ihr ein Name ein, der sie schon in ihrer Kindheit immer fasziniert hatte.
Scotland Yard!
New Scotland Yard wurde die Organisation heute genannt. Aber immer noch mit dem Mythos der Unbestechlichkeit und der Superaufklärungsquote behaftet.
Scotland Yard! Der Gedanke elektrisierte Marina. Doch dann kam die Ernüchterung. Würde man ihr überhaupt glauben? Ihr, einer zwanzigjährigen Deutschen, die zum erstenmal nach London gekommen war und sich direkt in ein haarsträubendes und unglaubliches Abenteuer stürzte?
Wohl kaum. Aber Marina wollte trotzdem zum Yard.
Und zwar morgen früh. Das hieß, heute, denn als Marina Held auf ihre Uhr blickte, stellte sie fest, daß es schon fast eine Stunde nach Mitternacht war.
Marina ging weiter. Und diesmal war ihr das Glück sogar hold. Sie erreichte irgendwann eine belebte Straße, auf der auch Taxis entlangfuhren.
Einen Wagen konnte sie sich schnappen.
Marina gab die Adresse in der Berners Street an.
Der Fahrer schien seinen brummigen Tag zu haben. Murrend drehte er sich um und
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