0001 - Im Nachtclub der Vampire
meinte: »Ist ja keine lohnende Fuhre. Aber ich will mal nicht so sein.«
Marina hatte schon davon gehört, daß manche Taxidriver in London unfreundlich sein sollen, aber daß sie so sauer sein konnten, damit hatte sie nie gerechnet.
Die Fahrt dauerte nicht länger als fünf Minuten. Dann stoppte das Taxi genau vor dem Haus.
»So, da wären wir«, sagte der Driver und nannte die Fahrsumme.
Marina zahlte. Sie legte auch noch ein kleines Trinkgeld darauf, was dem Fahrer ein Grienen entlockte.
»Nichts für ungut, Miß«, sagte er.
Marina Held lächelte. Das kleine Gartentor war zu. Hinter ihr fuhr der Wagen ab. Durch den Vorgarten ging die junge Deutsche auf das Haus zu.
Hinter den Fenstern der Sanderschen Wohnung brannte noch Licht. Marina sah die Schatten des Ehepaares. Mr. und Mrs. Sanders liefen unruhig hin und her. Verständlich, daß sie nervös waren.
Marina klingelte.
Sofort wurde geöffnet.
Mrs. Sanders kam ihr schon im Flur entgegen. »Mein Gott«, rief sie, »da sind Sie ja endlich. Wir haben uns schon die größten Sorgen gemacht.«
Sie schloß Marina in die Arme wie ein lang vermißtes Kind. Sanders stand an der Tür. Er trug bereits einen Schlafanzug. Die gestreiften Hosenbeine schauten unter dem Bademantel hervor.
Marina wollte sofort auf ihr Zimmer, doch Mrs. Sanders ließ sie nicht gehen.
»Wo waren Sie denn nur so lange?« fragte sie immer wieder. »Ist Ihnen auch wirklich nichts passiert?«
Marina hatte nicht vor, die volle Wahrheit zu sagen. »Ich bin durch Soho gegangen«, erklärte sie.
»Allein?« Lionel Sanders blieb vor Staunen fast der Mund offenstehen.
»Ja.«
»Aber was hätte da alles geschehen können«, rief Mrs. Sanders und rang die Hände.
»Es ist aber nichts geschehen«, erwiderte Marina. »Und jetzt bin ich wirklich müde.«
»Ja, ja, natürlich. Gehen Sie ruhig schlafen. Gute Nacht.«
Marina war schon an der Tür, als ihr noch etwas einfiel. »Eine Frage hätte ich noch. Ist es eigentlich weit von hier bis zu Scotland Yard?«
»Zu Fuß etwa eine halbe Stunde. Aber warum fragen Sie?« wollte Mr. Sanders wissen.
Marina hob die Schultern. »Nur so, Danke. Gute Nacht.«
Marina schloß leise die Tür hinter sich. Das Ehepaar Sanders sah seinem Gast verständnislos nach. Die beiden konnten nur den Kopf schütteln.
***
Hinter den dicken Brillengläsern funkelten hellwache Augen. Der Mund war wie immer leidend verzogen. Zwei Hände hielten ein Wasserglas umklammert, in dem sich langsam eine Tablette auflöste. Wer den Mann nicht näher kannte, mußte ihn für einen griesgrämigen Stubenhocker halten. Aber Superintendent Powell war genau das Gegenteil. Er war John Sinclairs direkter Vorgesetzter. Und ein Stratege par excellence. Powell hatte die Gabe, von seinem Schreibtisch aus komplizierte Fälle zu lösen. Wenn es jedoch haarig wurde, dann schickte er sein As an die Horrorfront.
John Sinclair.
Johns Dienstantritt hatte mit einem Besuch bei Superintendent Powell begonnen. Lagebesprechung wurde so etwas genannt. Und immer wenn Powell etwas auf dem Herzen hatte, verzog er seinen Mund.
So wie heute.
»Sie sind auch nicht totzukriegen, wie?« fragte er John. »Noch nicht einmal durch einen Kreuzritter.« Dabei spielte er auf Sinclairs letzten Fall an.
Der Geisterjäger hob die Schultern und gestattete sich ein Grinsen. »Mein Schädel ist eben aus Stahl, Sir. Außerdem – was würden Sie ohne mich machen?«
»In Pension gehen, Sie Witzbold. Aber leider bin ich ja für Sie verantwortlich.«
»Sie Ärmster. Wenn ich Zeit habe, werde ich Sie bedauern.« John zündete sich eine Zigarette an. Er blies den Rauch gegen die Decke, wo er von einem plötzlichen Luftzug durcheinandergewirbelt wurde.
Powells Sekretärin betrat das Büro. »Die Unterlagen, Sir«, sagte sie und legte einen grünen Schnellhefter auf den Schreibtisch des Superintendenten.
John grinste und blinzelte der schon älteren Dame zu. Sie wurde rot und verließ hastig das Büro.
»Das Flirten innerhalb des Hauses wird nicht gern gesehen«, sagte Powell tadelnd und schlug den Schnellhefter auf. »Es geht um folgendes«, begann er mit seiner Rede. »Vor etwa drei Monaten verschwanden aus den verschiedensten Krankenhäusern hier in London Blutkonserven. Die Einbrecher gingen raffiniert vor. Nicht einmal ein Fingerabdruck blieb zurück. Und gesehen wurden sie auch nicht. Wir haben natürlich alles versucht. Krankenhäuser sind überwacht worden, aber ohne Erfolg. Die Diebe waren geschickt.«
»Und
Weitere Kostenlose Bücher