0001 - Im Nachtclub der Vampire
letzten Nacht?« hauchte Mrs. Sanders.
»Ja.«
»Das habe ich mir doch gleich gedacht. Als Marina zurückkam, war sie so komisch. Irgendwie erschreckt. Sie hat auch kaum mit meinem Mann und mir gesprochen. Was hat sie denn nur angestellt?«
Lara druckste herum. Sie war wirklich eine ausgezeichnete Schauspielerin. »Es ist mir ja etwas peinlich, doch ich muß es Ihnen leider sagen, auch wenn Marina Ihr Gast ist. Sie hat sich in unverschämter Weise an meinen Verlobten herangemacht. Es war in einer Discothek in Soho, wie gesagt, es war peinlich. Jetzt wollte ich sie eigentlich aufsuchen, um sie zur Rede zu stellen. Von Frau zu Frau, wissen Sie.«
Mrs. Sanders nickte verständnisvoll.
Lara fuhr fort. »Die Adresse habe ich von meinem Verlobten. Marina hat sich nicht geschämt, ihn einzuladen.«
Clara Sanders schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. »Das ist doch die Höhe.«
»Eben.«
Die gute Mrs. Sanders war völlig überrascht. »Nie hätte ich so etwas von Marina angenommen. Ich kenne sie zwar nicht genau, aber daß sie so mannstoll ist, wer hätte das gedacht. Da sieht man wieder, wie man sich doch in einem Menschen täuschen kann. Wollen Sie denn auf sie warten, Miß Lara?«
»Eigentlich schon.« Lara senkte den Blick. »Hat sie wirklich keine Andeutung gemacht, wo sie hingegangen ist?«
»Nein. Oder doch? Lassen Sie mich überlegen.« Mrs. Sanders legte den Mittelfinger der linken Hand gegen ihren Nasenrücken. »Da war doch was«, murmelte sie, »jetzt wo ich genauer darüber nachdenke, fällt es mir wieder ein. Als sie in der vergangenen Nacht gekommen ist, hat sie eine seltsame Frage gestellt. Sie hat mich nach Scotland Yard erkundigt.«
Lara ruckte hoch. »Wonach?«
»Nach Scotland Yard. Vielleicht ist sie sogar hingegangen. Die haben für Touristen ja Besichtigungstouren eingerichtet. Vielleicht hat sie an einem Rundgang teilgenommen.«
»Wann sie zurückkommt, das hat sie nicht erwähnt – oder?«
»Nein. Aber wollen Sie warten?«
»Das wäre gar nicht so schlecht.«
Mrs. Sanders lächelte. »Das freut mich. Dann habe auch ich ein wenig Unterhaltung. Warten Sie, ich hole uns nur etwas zu trinken. Sie mögen doch einen Schluck?«
»Ja, bitte.«
»Ich habe noch einen Selbstgebrannten Aprikosenlikör. Der ist phantastisch.« Mrs. Sanders stand auf: »Ich muß ihn nur noch aus dem Wohnzimmer holen.«
Die Frau verschwand.
Lara lehnte sich zurück. Die Augen hielt sie halb geschlossen, hinter ihrer Stirn tobten die Gedanken. Wenn diese Marina wirklich zu Scotland Yard gegangen war, dann sah es böse aus. Vorausgesetzt, man glaubte ihr die Geschichte. Die meisten Beamten würden sie natürlich auslachen, aber wenn sie an John Sinclair geriet, dann wurde es Zeit, etwas zu unternehmen.
John Sinclair war auch für Lara ein Begriff. Es gab kaum ein Wesen der Finsternis, das John Sinclair nicht kannte. Und wenn er einmal die Spur aufgenommen hatte, kannte er kein Pardon mehr. Hohe und mächtige Dämonen waren schon an ihm gescheitert.
Lara merkte, wie ihr schwindlig wurde.
Der Schwächeanfall wurde nicht allein von dem Gedanken an John Sinclair ausgelöst, sondern auch von der Sonneneinwirkung. Die heißen Strahlen brannten durch die Fensterscheiben.
Die verdammte Sonne saugte Lara die Kraft aus den Gliedern.
Sie brauchte Blut. Unbedingt.
Ihre Haut begann sich schon zu verändern. Sie wurde welk. Man konnte sie regelrecht kneten. Nie würde sie in diesem Zustand den Weg zurück schaffen.
Normalerweise machte ihr das Tageslicht nichts aus, wenn aber die Sonne mit der geballten Kraft des Sommers schien, dann wurde es doch kritisch.
Blut!
Nur das konnte sie noch retten.
Laras Blick wurde tückisch und verschlagen, als er sich auf die Tür richtete.
Bald mußte Mrs. Sanders zurückkommen.
Und sie hatte das, was Lara benötigte.
Da kam sie schon.
Die Tür wurde aufgestoßen. Mrs. Sanders hielt die Flasche unter dem Arm geklemmt. »So«, sagte sie, »es hat etwas länger gedauert. Ich habe die Flasche versteckt, damit mein Mann…« Sie brach mitten im Satz ab. Ihr Blick war auf die am Tisch sitzende Lara gefallen.
Die Untote knurrte sie an.
»Was ist denn mit Ihnen?« flüsterte Mrs. Sanders. »Sie sind so…«
Lara knurrte die schreckensstarre Frau an. Es war ein Geräusch, das ganz hinten in der Kehle entstand.
»Lara, was ist…«
Die Untote sprang auf. Hinter ihr fiel der Stuhl um.
»Lara!« schrie Mrs. Sanders.
Die Vampirin lachte. Ihr Gesicht war eine Fratze, in der sich
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