0001 - Im Nachtclub der Vampire
Ihnen ja schon gesagt, die Sonne schafft mich.«
»Komisch.« Marina schüttelte den Kopf. Irgend etwas hatte sich in der Wohnung verändert. Sie fühlte es, konnte aber nicht sagen, was es war. Außerdem wollte kein richtiges Gespräch aufkommen. Mrs. Sanders hatte sich ebenfalls gesetzt und sah Marina an. Ihr Blick war stechend. Marina fröstelte. Sie fühlte den kalten Schweiß auf ihrem Körper.
»Kann ich ein Bad nehmen?« fragte sie.
»Natürlich.«
Marina Held erhob sich. Sie ging auf Mrs. Sanders zu und blieb vor ihr stehen. »Ich freue mich schon, wenn Helen aus dem Krankenhaus kommt«, sagte sie.
Clara Sanders gab keine Antwort. Sie sah Marina nur an. Dabei hielt sie den Mund fest geschlossen.
Plötzlich faßte Clara Sanders nach Marinas Hand. »Kommen Sie, ich möchte Ihnen vorher noch etwas zeigen.«
Marina zuckte unter der Berührung zusammen. Eiskalt war die Hand. So, als wären die Adern mit Fischblut gefüllt.
Widerlich fühlte sie sich an.
Marina Held sagte jedoch nichts, sondern nickte.
Clara Sanders ging vor. Dabei ließ sie die Hand des jungen Mädchens nicht los. Sie passierten den Korridor und blieben vor einer verschlossenen Tür stehen.
»Das ist das Schlafzimmer«, erklärte Mrs. Sanders.
»Und was soll ich da?«
Clara Sanders lächelte düster. »Sie werden es schon sehen. Lassen Sie sich überraschen.«
»Ist Helen vielleicht schon zurück?« fragte Marina und wußte im gleichen Moment, wie lächerlich diese Frage war.
Clara Sanders schüttelte den Kopf. »Nein, das nicht.« Sie legte die Hand auf die Klinke und öffnete die Tür. Dann schob sie Marina an sich vorbei in das Zimmer.
Auch hier Dämmerlicht. Rollos hielten die Sonnenstrahlen ab.
Marina sah ein Doppelbett, einen Kleiderschrank und.
Neben dem Bett stand eine Frau. Sie wandte Marina Held den Rücken zu.
Clara Sanders schloß die Tür. Das Geräusch durchbrach die lastende Stille.
Marina hatte plötzlich ein schreckliches Gefühl. Ihr Herz schien im Hals zu schlagen. Scharf sog sie die Luft ein. Dann spürte sie Clara Sanders Hände auf ihren Schultern. Sie wollte sie abwehren, doch sie fand einfach nicht die Kraft dazu.
Langsam – wie in einem Zeitlupenfilm – drehte sich die Gestalt am Bett um.
Marina sah die Bewegung, sah das Profil der Frau – und erstarrte. Vor ihr stand Lara, die Frau aus der Bar!
***
Im ersten Augenblick hatte Marina das Gefühl, einer optischen Täuschung erlegen zu sein. Sie kniff die Augen zu, öffnete sie wieder, doch das Bild blieb.
Lara stand tatsächlich vor ihr.
Und sie lächelte.
Wissend, teuflisch und gemein. Sie hatte dabei die Lippen verzogen, so daß Marina Held deutlich die Vampirzähne sehen konnte.
Hinter ihr begann Mrs. Sanders zu kichern. »Ja«, flüsterte sie, »sie ist es wirklich. Du täuschst dich nicht, mein Kind. Wir haben auf dich gewartet.«
Marina wußte nicht, was sie sagen sollte. Außerdem bekam sie keinen Ton heraus. Ihre Kehle schien mit Sandpapier eingerieben zu sein. In den Knien spürte sie das berühmte Puddinggefühl.
Lara streckte die Hand aus. »Du heißt Marina, nicht?«
Die junge Deutsche wußte selbst nicht, warum sie nickte. Sie tat es einfach.
»Ein schöner Name, der zu einem schönen Mädchen paßt. Ich möchte dich gern in unserem Kreis begrüßen. Willst du?«
»Nein.« Die Antwort war nur ein Hauch, doch Mrs. Sanders hatte sie verstanden.
»Dann wirst du gezwungen!« zischte sie.
Marina zuckte zusammen. Blitzschnell und auch für Mrs. Sanders überraschend, drehte sie sich um. Die Hände glitten von ihren Schultern, und dann sah Marina Held ihrer Gastmutter ins Gesicht.
Das junge Mädchen erschrak bis ins Mark.
Clara Sanders war ebenfalls ein Vampir!
Sie hatte die Lippen gefletscht und präsentierte stolz ihre beiden Zähne. »Ja«, sagte sie knurrend. »Auch ich gehöre zu Lara. Sie hat mich dazu gemacht. Und ich bin ihr dankbar. Unendlich dankbar. Das habe ich ihr schon bewiesen. Habe ich dich nicht in eine Falle gelockt, kleine Deutsche? Lara suchte dich. Du bist die einzige Zeugin, und damit du nicht redest, werden wir dich mitnehmen. Um Mitternacht wirst du im Nachtclub der Vampire dein Debüt geben. Als Blutsauger!«
Mrs. Sanders lachte gellend, als habe sie einen phantastischen Scherz gemacht. Doch nach Scherzen war Marina nicht zumute. Im Gegenteil. Die Angst kam.
Zum erstenmal spürte Marina Held, was es heißt, von Lebensangst gepackt zu werden. Sie wußte, daß sie sich in einer tödlichen Klemme befand,
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