0001 - Im Nachtclub der Vampire
die Gier nach Blut widerspiegelte. Sie bewegte sich fauchend auf Mrs. Sanders zu.
Erst jetzt merkte die Frau, daß sie sich in Lebensgefahr befand. Sie wollte sich herumwerfen und flüchten. Dabei rutschte ihr die Flasche aus der Armbeuge, fiel zu Boden und zerplatzte dort.
Mrs. Sanders war völlig durcheinander. Sie prallte in ihrer Hast gegen den Türpfosten.
Und dann war es zu spät.
Sie hörte das Fauchen dicht an ihrem Ohr. Ihr Hilfeschrei wurde von zwei Händen erstickt, die sich um ihren Hals preßten und sie gnadenlos zu Boden drückten.
Mrs. Sanders würgte. Die Augen schienen aus den Höhlen zu treten, das Gesicht lief rot an.
Verzweifelt stemmte sie sich gegen den harten Griff.
Ohne Erfolg.
Die Untote war stärker.
Als sie den Mund aufriß, sah Mrs. Sanders die häßlichen Vampirzähne schon dicht vor ihren Augen. Ihr wurde schwindlig. Die Wellen der Ohnmacht kamen mit geballter Macht. Das letzte, was Mrs. Sanders noch sah, war das triumphierende Leuchten in den Augen der schönen Vampirfrau…
***
John Sinclair ließ den Bentley vor dem Haus Nummer zweiundneunzig in der Berners Street ausrollen.
»Da wären wir«, sagte der Oberinspektor und drehte sich auf seinem Sitz. »Das Abenteuer ist beendet.«
»Schade.« Marina senkte den Kopf. »Und die Bar? Ich meine, Sie werden der Spur doch sicher nachgehen, John?«
Der Geisterjäger nickte. »Worauf Sie sich verlassen können, Marina. Es ist schließlich mein Job.«
»Ja, dann…« Marina Held öffnete die Tür. »Goodbye, John Sinclair. Aber geben Sie mir Bescheid, wenn Sie den Fall aufgeklärt haben.«
»Mach ich«, versprach er.
Marina Held schlug die Autotür zu.
Lächelnd sah ihr John Sinclair nach, dann fuhr er wieder an.
Marina ging auf das Haus zu. Der blühende Vorgarten kam ihr auf einmal wie eine trostlose Wüste vor. Sie sah nicht die neugierigen Blicke der Nachbarn und hörte auch nicht ihr Getratsche. Die Leute wunderten sich darüber, daß Marina von einem Mann nach Hause gebracht worden war. Und dann noch in einem Bentley.
Marina Helds Gedanken waren bei John Sinclair. Nie zuvor in ihrem Leben hatte sie solch einen faszinierenden Mann kennengelernt. Sie war beeindruckt von der Ruhe und der Sicherheit, die der Geisterjäger ausströmte. Eine Frau, die diesen Mann bekam, durfte sich wohl glücklich schätzen.
Aber das waren Träumereien und Wunschvorstellungen. Für sie blieb John Sinclair unerreichbar.
Marina Held legte den Zeigefinger auf den Klingelknopf. Sie hatte zwar einen Wohnungstürschlüssel, doch den hatte sie in ihrem Zimmer vergessen.
Niemand machte auf.
War Mrs. Sanders nicht da?
Marina schellte noch einmal. Schon nach wenigen Sekunden brummte der Türsummer.
Marina Held betrat den kühlen Hausflur. Erst jetzt merkte sie, daß ihre Sachen am Körper klebten.
Mrs. Sanders kam ihr nicht entgegen. Sie blieb an der Wohnungstür stehen. Ihr Gesicht lag im Schatten. Sie trug noch immer die gleiche Kleidung wie am Morgen.
»Wo waren Sie?« wurde Marina gefragt.
»Spazieren.« Die junge Deutsche hatte keineswegs vor, die Wahrheit zu sagen. Außerdem war sie ein erwachsener Mensch und konnte tun und lassen, was sie wollte.
»Wollen Sie mir nicht antworten?« fragte Mrs. Sanders.
»Ich habe doch schon gesagt, wo ich gewesen bin.« Marina drückte sich an Clara Sanders vorbei und betrat die Wohnung. Augenblicklich fiel ihr auf, daß es dort dämmerig war. Kaum ein Sonnenstrahl drang durch das Fenster. Rollos waren vorgezogen. Das Zimmer lag im Halbschatten.
Hinter Marina schloß Mrs. Sanders die Tür.
»Warum ist es denn hier so dunkel?« fragte Marina.
»Ich kann die Sonne nicht vertragen. Davon bekomme ich Kopfschmerzen.«
Marina Held betrat das Wohnzimmer. Auch hier hingen Rollos vor den beiden Fenstern. Ein süßlich-scharfer Geruch lag in der Luft. Marina machte ein paar Schritte in den Raum hinein und trat in etwas Klebriges.
»Was ist das denn?« Sie bückte sich.
Mrs. Sanders lachte gekünstelt. »Mir ist eine Flasche mit Likör aus der Hand gerutscht. Ich habe es noch nicht ganz wegwischen können.«
Marina lächelte. »Das kann ich ja auch machen.«
»Nein, nein, mein Kind, das ist meine Sache.« Clara Sanders nahm auf einem der altmodischen Stühle mit der geflochtenen Rückenlehne Platz.
Marina wollte sich ebenfalls setzen. Da fiel ihr auf, wie blaß ihre Gastmutter war.
»Ist Ihnen schlecht?« fragte sie.
»Wieso?«
»Sie sind so bleich.«
»Ich fühle mich nicht besonders. Ich habe
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