0002 - Das Dorf der versteinerten Monster
wandte sich direkt an Zamorra, »… es mag für den Laien möglicherweise so aussehen. Ich kann jedenfalls nur betonen, daß ich nicht die Absicht habe, mit irgend jemandem darüber zu sprechen, bevor sämtliche Auswertungen der mitgebrachten Materialien abgeschlossen sind.« Filchocks Nasenflügel bebten. Er kämpfte sichtlich um seine Fassung. Irgend etwas stimmte mit diesem Mann nicht. Welches Geheimnis verbarg er? Er fuhr fort: »Sobald die im Augenblick laufende Versuchsreihe abgeschlossen ist, werde ich selbstverständlich mit einem lückenlosen Bericht vor die Öffentlichkeit treten.« Seine Augen leuchteten fanatisch. Er atmete schnell und unregelmäßig. »Die Sache wird in Fachkreisen ein gewaltiges Echo finden, Professor Zamorra. Mehr kann und will ich im Moment noch nicht darüber sagen! Ich hoffe, Sie verstehen und respektieren meinen Standpunkt.« Er trank seinen Scotch mit einem schnellen Ruck aus, stellte das Glas hart auf den Tisch und erhob sich hastig. »Natürlich können Sie gern noch in meinem Haus bleiben, Professor. Gayle wird so nett sein, sich um Sie zu kümmern. Mich müssen Sie leider entschuldigen. Ich habe zu arbeiten.« Er wandte sich mit einer angedeuteten Verbeugung Zamorras Sekretärin zu. »Miß Duval, Mr. Fleming, Professor Zamorra. Es hat mich außerordentlich gefreut, Ihre Bekanntschaft zu machen. Auf Wiedersehen. Vielleicht kommen Sie mal vorbei, wenn ich weniger beschäftigt bin.« Er hatte jedem die Hand gegeben. Seine Handfläche fühlte sich feucht an. Die Nerven, dachte Zamorra. Filchock war furchtbar aufgeregt.
Der schmächtige Mann wandte sich um und verließ das Zimmer. Danach herrschte Schweigen! Nicole starrte in ihr volles Glas. Zamorras Augen blickten in die Ferne. Bill Fleming schürzte enttäuscht die Lippen. Er schaute auf die Tür, die sich hinter Melvin Filchock geschlossen hatte. »Viel hat er nicht gesagt.« Gayle lächelte verbittert.
»Ich kann nur sagen, er war heute ungemein geschwätzig. Sonst redet er gar nicht.« Das Mädchen fragte Zamorra nach seinen weiteren Plänen. Nicole schaute den Professor gespannt an, denn diese Frage brannte auch auf ihrer Zunge, schon eine ganze Weile. Zamorra drückte sich klipp und klar aus. Seit seiner Ankunft waren so viele seltsame, unerklärliche Dinge passiert, daß er einfach bleiben mußte, um Licht in das Dunkel der mysteriösen Geschehnisse zu bringen. Gayle erzählte daraufhin, daß sich das Dorf gerade für eine Fünfhundertjahrfeier rüstete. Die Feier wurde zu Ehren des heiligen Paul abgehalten. Er war der Schutzpatron des Dorfes. Es gab eine Legende, die davon berichtete, daß der Heilige das Dorf vor nunmehr fünfhundert Jahren von einigen Dämonen befreit hatte, die auf einem nahe gelegenen Schloß gehaust hatten. Heute war dieses Schloß nur noch eine unansehnliche Ruine, um die sich die abenteuerlichsten Gespenstergeschichten rankten.
Diese Ruine wurde Jahr für Jahr in die Feier des Dorfes mit einbezogen. Ein junger Mann aus dem Dorf kleidete sich am Tag der Feier so, wie der heilige Paul vor fünfhundert Jahren angezogen gewesen war. Und er begab sich um Mitternacht zu der Ruine, wie der Heilige es damals getan hatte. Der junge Mann mußte die Ruine aufsuchen und genau das tun, was St. Paul getan hatte, um das Dorf von den Dämonen zu befreien. Da keiner der Dorfbewohner jedoch den Mut aufgebracht hätte, allein - wie der heilige Paul - zur Ruine zu gehen, wurde er jedes Jahr von einer langen Prozession betender Menschen begleitet. Den Historiker Fleming interessierte diese Geschichte sehr. Er hörte mit wachsendem Interesse zu und nahm sich sogleich vor, allein und gleich nach Verlassen dieses Hauses zur Ruine zu gehen, um sich da mal umzusehen. Das Telefon läutete. Gayle Maud entschuldigte sich und ging an den Apparat. »Für Sie, Professor Zamorra!« sagte sie dann und hielt dem Erstaunten den Hörer entgegen.
»Für mich?«, fragte Zamorra ungläubig. Gayle nickte und hielt den Hörer weiterhin im ausgestreckten Arm. Zamorra erhob sich verwirrt. Wer wußte denn, daß er hier war? Schnell griff er sich den Hörer. Gayle setzte sich wieder. »Ja, Zamorra«, brummte der Professor aufgeregt in die Membran.
»Hallo, Vetter!« sagte eine bekannte Stimme, die Zamorras Atem stocken ließ. »Hier spricht Charles.« Es wäre nicht nötig gewesen, daß Charles Vareck seinen Namen nannte. Zamorra hatte ihn auch sofort erkannt. »Ich habe den Auftrag, dich zu warnen, Vetter!« sagte Charles mit einer
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