0002 - Das Dorf der versteinerten Monster
Tag über hatte er sich große Sorgen um den Freund gemacht. Er hatte ihn überall gesucht, auch bei der Ruine, aber nicht gefunden.
»Ich habe diese schaurigen Gestalten beobachtet!« sagte Gayle, putzte sich die Nase und wischte sich mit demselben Taschentuch die dicken Tränen von den Wangen und aus den Augen… »Sie sahen alle gleich aus. So wie die Bestie, die du gesehen hast, Jerry. Es waren viele. Zwanzig vielleicht. Vielleicht auch mehr. Ich war hinter einer meterhohen Mauer versteckt. Und dann - dann kam plötzlich jemand. Ich dachte, eines der Ungeheuer hätte mich entdeckt. Doch dann glaubte ich meinen Augen nicht zu trauen. Ich glaubte, nicht richtig zu sehen. Aber sie war es. Sie… war… es!«
»Wer war es?« fragte Jerry Westbrook aufgeregt. »Wer, Gayle?«
»Sie… war… es!« stieß Gayle wieder hervor.
»Wer denn, zum Teufel?«
»Nicole Duval! Sie ging ganz dicht an mir vorbei. Auf die grauenerregenden Gestalten zu…«
»Nicole?« schrie Zamorra. Eine eisige Hand berührte sein Herz und wollte es zum Stillstand bringen. Er stürzte auf das Fremdenzimmer zu, in dem Nicole schlief. Er riß die Tür auf, hetzte in den Raum und machte Licht. Tatsächlich! Nicole lag nicht in ihrem Bett. Das Fenster war offen. Vermutlich war sie hier auf die Straße geklettert. Aber warum? Welchen Grund sollte sie gehabt haben?
»Was sollen wir tun, Professor?« fragte Westbrook hinter Zamorra, der benommen und bestürzt auf das leere Bett starrte, in dem seine Sekretärin geschlafen hatte. Der Professor blieb stumm.
»Ja, wir müssen sofort zur Ruine fahren«, redete Westbrook weiter. »Die beiden schweben in Lebensgefahr!«
Zamorra wandte sich steif um. »Gebe der Himmel, daß sie nicht bereits tot sind.« Er lief aus dem Zimmer. Westbrook hastete hinter ihm her. Gayle Maud verließ mit ihnen das Haus. Als Zamorra das bemerkte, hielt er sie an der Schulter zurück. »Sie bleiben hier, Gayle!« sagte er mit einer Stimme, die keinen Widerspruch duldete.
»Ja, Gayle!« sagte Westbrook nickend. »Der Professor hat recht. Das ist nichts für dich.«
Gayle faßte flehend nach Westbrooks Hand. »Ich komme um vor Angst um dich, Jerry!«
Westbrook schüttelte ungeduldig den Kopf. »Tu, was ich sage! Bleibe hier. Wenn wir bis zum Morgengrauen nicht zurück sind, gehst du zur Polizei und erzählst deine Geschichte, verstanden?« Gayle nickte benommen. Westbrook schüttelte ihre Hand ab. Augenblicke später saßen er und Zamorra im Corsair. Der Motor schnurrte. Dann schoß der Wagen mit rasch zunehmender Geschwindigkeit davon. Gayle huschte schnell in Westbrooks Haus und schloß sich ängstlich ein.
Dann begann sie zu beten, wie sie es seit vielen Jahren nicht mehr getan hatte.
***
Zamorra fuhr den Corsair.
Er jagte den Wagen die gewundene Sandstraße entlang. Hinten stieg eine dicke graue Staubfontäne hoch.
Er raste mit brüllendem Motor in die Kurven. Die Pneus jammerten und kreischten schrill. Jerry Westbrook klammerte sich mit bleichem Gesicht und zusammengepreßten Lippen an das Armaturenbrett. Schon nach wenigen Minuten tauchte die drohende Silhouette der Ruine vor ihnen auf. So weit es ging, fuhr Zamorra an die Ruine heran. Es gab keine direkte Zufahrt. Die Straße führte an der Ruine vorbei ins nächste Dorf. Sie schnellten aus dem Wagen. Unheimlich, unheilvoll lag die Ruine vor ihnen. Jerry trat neben den Professor.
»Jetzt bin ich genauso aufgeregt wie in jener Nacht, als Max Rintels ermordet wurde. Sie haben dieses Scheusal nicht gesehen, Professor. Dieser Anblick raubt einem den Verstand…« Westbrook verstummte. Ein klagendes Heulen schwebte ihnen von der Ruine entgegen. Zamorra marschierte mit entschlossenen Schritten los. Jerry Westbrook blieb dicht hinter ihm, obwohl es ihm schwerfiel, mit dem Professor Schritt zu halten. Immer wieder schaute sich Westbrook ängstlich um. Das klagende Heulen wiederholte sich noch mehrmals. Es konnte vom Wind hervorgerufen worden sein. Es konnte aber auch von diesen fürchterlichen Dämonen als eine Art Lockruf ausgestoßen worden sein. Sie erreichten die Ruine. Zamorra zögerte nicht, trat als erster entschlossen zwischen die kahlen und dunklen Mauern. Es schien, als wäre er bereit, sein Leben zu opfern, wenn Nicole und Bill dadurch gerettet werden konnten. Sie liefen kreuz und quer durch die Ruine. Sie fanden den altarähnlichen Stein. Er war leer. Die ganze Ruine war leer. Weder von Nicole noch von Bill, noch von den Gespenstern war eine Spur zu
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