0002 - Das Dorf der versteinerten Monster
wurden schwach und schwächer. Er konnte im dunklen Raum nicht viel erkennen. Das, was er sah, begann sich in einem wüsten Reigen um ihn herum zu drehen. Ein rasendes Hämmern setzte in seinem Kopf ein. Die unbarmherzigen Pranken würgten ihn weiter. Die Sehnen der harten Finger waren widerstandsfähig wie Drahtseile. Die Finger selbst waren ekelhaft hart und kalt wie Stein. Sie töten dich! Sie töten dich! hallte es in Zamorras Kopf. Seine Lunge flatterte. Er japste nach Luft, bekam jedoch nicht den kleinsten Hauch durch die zugedrehte Luftröhre. Verloren! hallte es in ihm. Du bist verloren! Diese schrecklichen Vorahnungen waren natürlich nicht in der Lage, ihn moralisch aufzurütteln, ihm Mut zu machen. Ein Brausen und Tosen füllte seinen Kopf. Das Ende war erschreckend nahe und kam immer näher. Unaufhaltsam. Das Amulett fiel ihm ein. Er mußte an sein Amulett kommen. Schnell. Schnell! Er riß mit zitternden Fingern sein Hemd auf. Es war schon fast zu spät. Er taumelte auf die Grenze des Bewußtseins zu, von wo es ins Nichts ging, ins Reich der ewigen Schatten, in den Tod. Er fühlte das Amulett, das er an der Silberkette um den Hals trug. Seine zuckenden Finger packten es. Er hob es hoch und berührte damit die schrecklichen, würgenden Hände. Sie zuckten, ließen los.
Zamorra atmete gierig. Da sausten ihm die Hände schon wieder an die Kehle. Zamorra berührte sie noch einmal mit seinem silbernen Amulett. Der Griff der mörderischen Pranken löste sich augenblicklich. Zamorra richtete sich benommen auf. Er war einer Ohnmacht nur allzu nahe. Das durfte nicht geschehen. Nicht jetzt. Sonst war er unweigerlich verloren. Er kämpfte verzweifelt gegen die drohende Ohnmacht an, atmete mit kräftigen Zügen, obwohl ihn der Hals wahnsinnig schmerzte. Da flogen ihm die Hände schon wieder an die Kehle. Er atmete stoßweise und verjagte die mordenden Pfoten mit seinem Amulett. Erschöpft kam Zamorra auf die Beine. Das Monster stieß haßerfüllte, schreckliche Laute aus. Die kräftigen Hände tanzten vor Zamorra auf und ab, wollten ihn angreifen, doch er hielt das Amulett so, daß ihm die Todespranken nichts anhaben konnten. Zamorra nahm alle seine verbliebenen Kräfte zusammen und ging, immer noch taumelnd, zum Gegenangriff über. Er nahm das Amulett von seinem Hals, hielt es in den zitternden Fingern und hoffte, daß es ihm nicht entfallen würde. Er neigte sich nach vorn, taumelte mehr als er ging, fiel dem schaurigen Wesen entgegen und warf es gegen die Wand. Der Körper des Untiers war kalt und hart wie Stein. Zamorra riß seinen silbernen Talisman hoch und preßte ihn dem Scheusal mitten in das gräßliche, furchtbare Gesicht. Das Monster stieß einen schaurigen Schrei aus und brach wie vom Blitz getroffen zusammen. Das Deckenlicht flammte auf einmal wieder auf. Vor Zamorra lag Jerry Westbrook. Er war ohnmächtig, lag mit verrenkten Gliedern auf dem Teppich, in der gleichen Stellung, die zuvor das Monster eingenommen hatte. Zamorra stürzte zum Lichtschalter und drehte das Licht kurz ab. Auf dem Boden lag immer noch Jerry Westbrook. Das Amulett hatte ihn demnach von dem grauenvollen Zauber befreit, der ihn befallen hatte. Zamorra machte wieder Licht, hob Westbrook auf und ließ ihn auf einen Stuhl fallen. Atemlos begann ihn der Professor ins Gesicht zu schlagen. So lange, bis Westbrook die Augen öffnete. Er kam bald zu sich, war benommen und schaute Zamorra verwirrt und besorgt an.
»Professor Zamorra!« stöhnte er. »Was ist passiert? Wie komme ich in Ihr Zimmer?« Zamorra klärte den Mann mit wenigen Worten auf. Westbrook fuhr sich bestürzt ins Gesicht. »Mein Gott! Ich habe es wirklich getan?«
»Ja, Jerry. Sie waren eines von diesen grauenvollen Monstren. Versuchen Sie sich zu erinnern, wie es dazu gekommen ist! Es ist sehr wichtig für uns alle.« Westbrook starrte auf den Teppich.
»Ich war in meinem Zimmer!« sagte er heiser. »Ich kann mich noch genau erinnern, daß ich zum Fenster gegangen bin, weil mich irgend etwas interessierte, was da draußen vor sich ging. Was es war, ist mir entfallen. Ich schaute hinaus. Und plötzlich spürte ich, daß etwas von mir Besitz zu ergreifen begann. Ich konnte mich nicht dagegen wehren. Ich spürte ganz deutlich, daß ich in den Besitz eines anderen überging. Ich war mit einem mal nicht mehr ich selbst. Das Böse hatte von mir Besitz ergriffen, Professor Zamorra. Es war auf irgendeine unerklärliche Weise in mich geschlüpft, war gleich unter meiner Haut.
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