0003 - Achterbahn ins Jenseits
Volksfest nicht unterbrechen.
John mußte eine andere Möglichkeit finden.
Carl Norton fiel ihm ein.
Vielleicht nahm er Vernunft an, wenn man mit ihm redete.
Der Geisterjäger wühlte sich durch die Menschen und stieß bis zum Rand einer Absperrung vor. Ein schmaler, aus Holzbarrieren geschaffener Gang führte bis zu den Einstiegplätzen der Wagen.
Carl Norton hatte zwar noch immer alle Hände voll zu tun, doch John wollte sich darum nicht kümmern.
Doch zuvor wurde er von einem Helfer aufgehalten, der die gelösten Karten kontrollierte. Der Knabe trug ein blaues Hemd ohne Kragen und eine verwaschene Cordhose. Er sah auf drei Meter Entfernung nach Zuchthaus aus.
»Karte!« raunzte er John an.
Der Geisterjäger präsentierte seinen Ausweis, und der Kontrolleur wurde blaß. »Also ehrlich. Ich habe mir in den letzten Monaten nichts zuschulden kommen lassen, Officer.«
»Sie interessieren mich nicht«, erwiderte John. »Ich will den Chef sprechen.«
Der Kontrolleur ließ den Geisterjäger passieren.
John ging auf Carl Norton zu. Zwei Kinder überholten ihn. Sie lachten, freuten sich darauf, daß sie früher am Wagen waren.
Norton streckte den Arm aus. »Augenblick noch, Mister«, sagte er. Mit der anderen Hand machte er den Kindern ein Zeichen, in den rotlackierten Wagen zu steigen.
Das Gefährt setzte sich in Bewegung, und der nächste Wagen rollte heran.
»Bitte, Mister.«
»Kann ich Sie für einen Augenblick sprechen?« fragte John. Er hielt seinen Ausweis noch in der Hand.
Norton hob überrascht die Augenbrauen. »Polizei?«
John nickte.
»Geht es denn da nicht weiter, verdammt!« schrie ein ungeduldiger Mann.
»Moment noch, Herr Oberinspektor.« Norton besorgte sich eine Vertretung. Es war der Kontrolleur. Norton und John gingen auf eine kleine Bude zu, die das Herz der Anlage bildete. Hier standen Generatoren, die den Strom für die Achterbahn erzeugten.
»Meine Tochter war sicherlich bei Ihnen«, sagte Norton, »Habe ich recht?«
»Ja.«
Der Schausteller winkte ab. Er trug einen braunen Cordanzug und ein beiges Hemd, das am Hals offenstand. »Sie dürfen nichts auf ihr Gerede geben.«
»Aber der Totengräber war doch bei Ihnen«, stellte John fest.
Norton hob die Schultern. »Wenn ich mir das genau überlege, dann habe ich das Gefühl, mir alles nur eingebildet zu haben. Es muß einfach eine Halluzination gewesen sein. Es gibt schließlich keine Geister. Höchstens in Romanen.«
John hätte ihm da etwas anderes erzählen können, doch er hielt den Mund. Statt dessen sagte er: »Mir ist dieser Totengräber ebenfalls begegnet, Mister Norton.«
Der Schausteller bekam den Mund vor Staunen kaum zu. »So«, sagte er nur.
»Vorhin.« John deutete mit dem Daumen über seine rechte Schulter. »Ich stand an der Barriere, da war der Knabe plötzlich neben mir. Er hat mich ebenfalls gewarnt und mich dann gefragt: Wissen Sie, wo sich der Rummelplatz befindet? Wahrscheinlich deutete er damit den Standort an. Ich weiß es nicht, möchte es aber gerne von Ihnen erfahren, Mister Norton.«
Carl Norton senkte den Kopf. »Das ist doch alles Unsinn, dieser ganze Kram. Auch die Sache mit dem Standplatz. Die kann man einem normalen Menschen gar nicht erzählen.«
»Aber mir«, sagte John.
»Okay. Dieser Platz stand jahrelang leer, soviel ich weiß. Früher war hier ein alter Friedhof. Und dann wurde der Platz als Bauland freigegeben. Die Baufirma rückte auch an. Mit Raupenschleppern und Lastwagen. Sie begann mit den Arbeiten, und dann geschah es. Die Erde tat sich plötzlich auf, eine riesige Hand erschien und zog den Bauleiter und einen seiner Mitarbeiter in die Tiefen der Erde. So ungefähr hat man mir das erzählt. Seit der Zeit hat sich niemand mehr um den Platz gekümmert.«
»Wann war das?«
»Vor fünf Jahren. Die Polizisten haben alles untersucht, sind aber zu keinem Ergebnis gekommen. Ja, und heute hat mich dieser komische Totengräber besucht, den Sie ja auch gesehen haben. Er ist ein Geist.« Carl Norton mußte plötzlich über seine eigenen Worte grinsen.
»Sie sollten diese Warnung ernst nehmen«, sagte John. »Ihre Tochter hat schon richtig gehandelt, als sie zu mir gekommen ist.«
»Aber was soll ich machen?«
»Den Betrieb einstellen!«
»Nein.« Carl Nortons Antwort klang entschieden. »Niemals.«
»Und wenn etwas passiert?«
Norton machte eine wegwerfende Handbewegung. »Lieber Himmel, was soll schon geschehen? Erst vor wenigen Stunden war die Abnahme-Kommission bei mir. Sie
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