0003 - Achterbahn ins Jenseits
haben fast jede Schraube geprüft. Technisch ist wirklich alles in Ordnung.«
»Es gibt auch andere Mittel, um eine Bahn zum Einsturz zu bringen«, meinte John.
Norton runzelte die Stirn. »Dann glauben Sie an den Quatsch?«
»Ja, Mister Norton. Ich habe schon zuviel erlebt. Lassen Sie es sich von mir gesagt sein, es gibt Geister. Auch wenn die meisten Menschen es nicht wahrhaben wollen.«
Carl Norton blickte John Sinclair an, als habe er einen Irren vor sich. »Tut mir leid, Herr Oberinspektor, daß ich Ihnen nicht helfen kann. Aber ich habe zu tun. Das Geschäft geht vor. Sie entschuldigen mich.«
»Natürlich.« John trat zur Seite, damit Carl Norton an ihm vorbeikam.
Der Schausteller nahm wieder seinen Platz ein. John flankte über die Holzbarriere und stand dann neben dem Kartenhaus. Vera Norton bemerkte ihn. Sie warf dem Geisterjäger einen fragenden Blick zu.
John Sinclair hob die Schultern.
Vera nickte. Sie hatte verstanden. Dann schrieb sie etwas auf einen Zettel und hielt ihn hoch.
»Treffen. Zweiundzwanzig Uhr«, las John.
Der Oberinspektor nickte. Bis dahin hatte er noch neunzig Minuten Zeit. Er wollte über den Jahrmarkt schlendern und dabei die Augen offenhalten. Vielleicht lief ihm dieser Totengräber noch einmal über den Weg.
Er ging um die Achterbahn herum, kam an einem Kettenkarussell vorbei und blieb für wenige Augenblicke an einer Losbude stehen. Sie befand sich schräg gegenüber der Geisterbahn, die John und Suko als gemeinsamen Treffpunkt ausgemacht hatten. In nicht ganz fünf Minuten war es soweit. John mußte den Chinesen unbedingt sprechen und ihm eine Beschreibung des Totengräbers geben. Sollte Suko dem Mann ebenfalls begegnen, mußte er John Bescheid geben.
Doch dazu kam es nicht mehr.
Plötzlich brandete ein mehrstimmiger Schrei auf, der selbst das Hämmern der Musik noch übertönte.
Und dann rannten auch schon die ersten Menschen.
Sie liefen in Richtung des großen Auto-Scooter-Vierecks.
John Sinclair schloß sich ihnen an.
***
Die Maschinen hießen Yamaha, Honda, Harley-Davidson oder Kawasaki. Es waren heiße Öfen, die so manchem schnellen Wagen das Nachsehen gaben. Und die Maschinen waren gepflegt.
Gepflegter als ihre Besitzer.
Trotzdem zählten sie sich zur Elite.
Zur Elite der Rocker!
Sie hatten sich den Jahrmarkt ausgesucht, um Stunk zu machen. Schon seit langem war alles vorbereitet gewesen. Sogar aus den Londoner Vororten waren sie gekommen, um auf den Putz zu hauen.
Zwanzigmal Gewalt und Haß.
Sie kamen nicht etwa in einem Pulk. Nein, einer nach dem anderen traf ein. Motorräder dröhnten nacheinander auf. Die Rocker stellten die Maschinen gut getarnt zwischen die Materialwagen. Als Treffpunkt war der Platz hinter dem Riesenrad vorgesehen.
Ihre Bräute hatten die Rocker nicht mitgebracht. Sie wollten sich auf dem Jahrmarkt Puppen holen, und wer Rocker kannte, der wußte, daß dies nicht ohne Gewalt vor sich gehen würde. Aber vor Gewalt scheut kein Rocker zurück.
Sie trugen die übliche Kleidung. Lederjacken und auch lederne Hosen. Die bunten Sturzhelme hatten sie abgenommen. Ginflaschen kreisten, Zigaretten glühten.
Noch verhielten sie sich ruhig.
Sie warteten auf ihren Anführer.
Er hieß Angel Montana, war fünfundzwanzig Jahre alt, hatte davon vier im Knast verbracht, und sein Denken drehte sich nur um zwei Dinge.
Gewalt und Sex!
Eine seltsame Ruhe lag über dem Sammelplatz der Rocker. Vom Jahrmarkt her zuckten bunte Lichtbündel über die Gestalten und ließen sie aussehen wie in Farbe getaucht. Viele der jungen Gesichter waren von wilden Bärten zugewuchert. An den Lederjacken klirrten Orden, und in den steifen Ledergürteln der Hosen hinten Fahrradketten, feststehende Messer, Totschläger und auch Schußwaffen.
Das war die neueste Masche der Rocker.
Sie schossen auch.
Meist waren es Duelle. Wie im Wilden Westen. Ziehen, schießen – und dann… Nicht nur ein Rocker war durch eine Kugel seines Kumpans gestorben.
Flipper, einer von Montanas Vertretern, wurde immer unruhiger. »Wo Angel nur bleibt?« rief er und schmetterte die leere Ginflasche wütend zu Boden.
»Der kommt schon noch«, meinte ein anderer. »Vielleicht gefiel ihm unterwegs ‘ne Puppe. Ist doch drin – oder?«
Die anderen lachten.
Nur Flipper nicht. Wenn Montana nicht kam, dann mußte er die Verantwortung tragen. Und so stark fühlte er sich nun doch nicht. Da gab es nämlich einige Typen, die ihm den Posten mißgönnten.
»He, still!« zischte Flipper, »da
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