0003 - Achterbahn ins Jenseits
An den Bierständen hingen schon die ersten Betrunkenen. Zwei Sanitäter schleppten bereits einen Volltrunkenen ab.
Wie ein Spaziergänger schlenderte John Sinclair über den Rummelplatz. Es sah alles normal aus. Er konnte nichts Verdächtiges feststellen.
Der Geisterjäger war bewaffnet. Unter dem leichten Sommerjackett trug er seine mit geweihten Silberkugeln geladene Pistole. Ferner hatte er ein silbernes Kreuz vor der Brust hängen, das die Anwesenheit des Bösen signalisieren sollte.
Vor dem Stand einer Wahrsagerin blieb John stehen. Die Alte winkte mit gichtkrummen Fingern. »Komm her, Söhnchen«, sagte sie krächzend. »Laß dir die Zukunft sagen.«
John winkte ab. »Die will ich gar nicht wissen.«
Die Alte kicherte.
John Sinclair näherte sich langsam der riesigen Achterbahn. Dort war am meisten los. Ununterbrochen rasten die bunten Wagen über die Schienen. Der Geisterjäger sah Vera Norton in dem kleinen Kassenhäuschen sitzen. Sie hatte alle Hände voll zu tun, um die Karten zu verkaufen. Sie wurden ihr regelrecht aus der Hand gerissen.
John beobachtete die Wagen. Nach dem Start wurden sie nach oben transportiert, gingen in eine Kurve und rasten zu Tal. Das wiederholte sich mit einigen Gags in regelmäßigen Abständen. Kurz vor dem Ziel jagten die Wagen dann in den höllischen Kreisel, der die Vergnügungssüchtigen noch einmal richtig durchschüttelte. John hörte die spitzen Schreie, die die Menschen ausstießen.
Er näherte sich dem Kassenhäuschen von der Seite her, bis eine Barriere ihm den Weg versperrte.
John Sinclair sah auch Veras Vater. Carl Norton legte kräftig mit Hand an. Er half Fahrgästen aus den Wagen und kümmerte sich auch darum, daß die Wagen immer gleichmäßig besetzt waren.
Etwa fünf Minuten sah John Sinclair dem Trubel zu. Plötzlich bemerkte er neben sich eine Bewegung. John wandte den Kopf und erstarrte.
Er sah in das Gesicht des Totengräbers.
Der Geisterjäger hatte sich vorzüglich in der Gewalt. Sein Schock dauerte nicht einmal zwei Sekunden. Der Mann sah genauso aus, wie Vera Norton ihn beschrieben hatte. Zylinder auf dem Kopf, altmodischer Gehrock, Gamaschen…
Höflich lüftete der Totengräber den Hut. John sah das graue strähnige Haar, das bis auf die Schultern reichte.
»Diese Achterbahn ist wirklich enorm, nicht war?« sagte der Totengräber.
»Das stimmt.«
»Wenn ich an meine Zeit denke…«
»Wie soll ich das verstehen?« fragte John.
»Vergessen Sie es, junger Mann.« Plötzlich wechselte der Totengräber das Thema. »Wissen Sie eigentlich, wo Sie sich hier befinden, Sir?«
»Auf dem Rummelplatz.«
»Ja, das auch.«
John faßte nach dem Arm des Mannes. Er fühlte sich normal an. Nichts deutete darauf hin, daß mit dem Kerl etwas nicht stimmte. Der Geisterjäger ließ seine Hand wieder sinken. Er sah, daß sich die Lippen des Totengräbers zu einem Lächeln kräuselten.
»Enttäuscht?« fragte er.
»Warum sollte ich?«
»Von einem Geist erwartet man doch mehr.«
In Johns Gehirn begann eine Alarmglocke zu schlagen. Der Totengräber wußte mehr. »Wie kommen Sie auf Geist?«
Der Totengräber ging nicht auf John Sinclairs Frage ein. Er murmelte: »Schade um die Menschen, die sterben werden. Aber er hat nicht auf mich gehört. Er hätte die Achterbahn abreißen lassen sollen. Auch Sie können ihm nicht helfen. Der Tod schwebt bereits über diesem Rummelplatz. Bald… Bald wird er zuschlagen.«
John Sinclair war es leid. »Okay, Freundchen«, sagte er, »jetzt wollen wir uns mal in Ruhe unterhalten. Ihre Andeutungen sind verdammt rätselhaft. Kommen Sie mit.«
John wollte den Totengräber an der Schulter herumrücken. Seine Hand aber faßte ins Leere!
Der Geisterjäger sah noch, wie die Konturen des Mannes verblaßten, und dann war er verschwunden.
Tief atmete John ein. Er spürte eine Gänsehaut über seinen Rücken rieseln. Also hatte Vera Norton doch nicht gelogen. Es gab diesen geheimnisvollen Totengräber.
Und er stand mit den Mächten der Finsternis in Verbindung. Jetzt, wo John gesehen hatte, über welche Machtmittel er verfügte, konnte er sich durchaus vorstellen, daß er auch in der Lage war, den Rummelplatz in eine Hölle zu verwandeln.
Aber was konnte man tun?
Den Jahrmarkt räumen lassen? Unmöglich – da würden sich Schausteller und Besucher weigern. Außerdem – welchen Grund sollte John Sinclair angeben? Man würde ihn auslachen, selbst seine Kollegen von der Polizei. Und auf einen vagen Verdacht hin konnte er das
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