0003 - Achterbahn ins Jenseits
Sie wollten mal wieder einen lustigen Abend erleben. Sie wußten gar nicht, wohin sie zuerst schauen sollten. Die unzähligen farbigen Lichter der Karussells wirkten wie bunte große Perlen. Bratengeruch schwängerte die Luft. Würstchen brutzelten auf Holzkohlengrills. An einer Fischbude standen die Menschen Schlange.
Margret hatte sich bei ihrem Mann untergehakt. Sie wußte schon, was kam. Lächelnd blickte sie ihn an.
Und Reddy enttäuschte sie nicht. »Eigentlich hätte ich ja Hunger«, sagte er. »Einen Hamburger oder ein Würstchen – das wäre schon was.«
Margret schlug ihrem Mann auf den Bauch, der sich über der Hose wölbte. »Okay, du Bär, hol dir schon deine Portion.«
Das ließ sich Reddy nicht zweimal sagen. An der nächsten Bude blieb er stehen.
Margret aß nicht. Dafür schaufelte sich Reddy gleich zwei Würstchen in den Magen. Zufrieden leckte er sich über die fettigen Lippen. »Das hat geschmeckt.«
Frisch gestärkt ging Reddy weiter. Seine Frau gönnte sich ein Eis. Wie ein Magnet zog die Geisterbahn das Ehepaar an. »Ist ja irre«, sagte Carruthers. »Komm, wir drehen eine Runde.«
Margret schüttelte den Kopf. »Ohne mich.«
Reddy überlegte. »Dann fahre ich eben allein«, entschied er.
»Meinetwegen.«
Gaylord Carruthers ging zur Kasse. Drei Leute standen noch vor ihm. Dann löste er seine Karte. Er mußte noch warten, bis er in einem der Wagen Platz nehmen konnte. Alle zehn Sekunden kamen sie durch die Flügeltür geschossen. Immer wenn sich die Tür öffnete, ertönte ein nervenzerfetzendes Kreischen.
Reddy stieg ein. Bevor sich der Wagen in Bewegung setzte, winkte er seiner Frau noch einmal zu. Dann wurden die Eingangstürhälften von der Schnauze des Gefährts aufgestoßen.
Reddy tauchte in die Dunkelheit, die jedoch nur Sekunden andauerte, um dann von einem plötzlich auftauchenden Skelett erhellt zu werden. Das Gerippe hatte das zahnlose Maul weit aufgerissen. Ein schauriges Lachen begleitete die Bewegungen des Skeletts. Es streckte die Hand aus, doch bevor es den Fahrgast berühren konnte, war es verschwunden.
Weiter ging die Fahrt. Es kamen die üblichen Monster und Ungeheuer, auch der Gehenkte durfte nicht fehlen. Nach einer Kurve ging es dann wieder dem Ausgang entgegen. Reddy wußte, daß kurz vor Fahrtende noch ein besonderer Schock auf die Gäste wartete. Es war hier nicht anders.
Und es war ein Schock, der ihm durch und durch ging.
Urplötzlich tauchte eine Gestalt auf.
Altertümlich gekleidet, hoher Zylinder, Gamaschen, ein wissendes Lächeln. In der rechten Hand eine Schaufel. In der anderen eine Laterne.
Der Totengräber war gekommen!
Reddy traf es wie ein Hammerschlag.
Dicht vor dem Wagen schwebte der Totengräber in der Luft. Seine dünnen Lippen bewegten sich, formten Worte.
»Ich kriege dich noch«, flüsterte der Unheimliche. »Ich bekomme dich, Freund.« Der Totengräber streckte den Arm aus, und Reddy sah eine Skeletthand dicht vor seinen Augen schweben.
Aber diesmal beruhten ihn die Knochen.
Kalt waren sie – kalt wie Eis. Sie glitten über sein Gesicht. Reddy stieß einen Schrei aus.
Dann war der Spuk verschwunden.
Der Wagen donnerte gegen die beiden Türhälften und rollte aus dem Innern der Geisterbahn.
Reddy war blaß. Die Ereignisse der Vergangenheit stiegen vor seinem geistigen Auge auf. Er sah sich wieder auf der Baustelle, sah die Hand und…
Diesen Totengräber gab es also tatsächlich. Er hatte ihn zwar damals selbst nicht gesehen, aber davon gehört. Ob er was im Schilde führt?
»He, Mister, aussteigen!« hörte er dicht neben sich die Stimme eines Schaustellergehilfen.
»Ach so, ja. Entschuldigung.« Reddy schwang sich aus dem Wagen. Seine Frau wartete schon ungeduldig.
»Was ist los?« empfing sie ihn. »Hat dich die Fahrt so geschockt?«
Reddy beschloß, seiner Frau nicht die Wahrheit zu sagen. »Es war nichts«, erwiderte er. »Die Luft, weißt du. Mir ist auf einmal schlecht geworden. Kann ja passieren.«
»Ich weiß nicht.« Margret blickte ihren Mann skeptisch an.
Reddy lachte schon wieder. »Komm, laß dir den Abend nicht versauern. Wir werden noch alles durchfahren und ausprobieren. Und dann, zum Schluß, fahren wir mit der Achterbahn. Einverstanden?«
Margret Carruthers nickte nur. So ganz überzeugt war sie jedoch nicht. Irgend etwas stimmte hier nicht…
***
Carl Norton hatte die Angewohnheit, nach der ersten Hälfte des Abends schon einmal abzurechnen. Er nahm dann die Kassette mit dem Geld und zog sich in
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