0004 - Ich entdeckte den Goldmacher
Stamm, dem er angehört?«
Lohmann hielt uns einen kleinen Vortrag über südamerikanische Indianer. Anders als die Indianer in Nordamerika sind die Ureinwohner Südamerikas, und besonders die Indianer in Brasilien, nie richtig zivilisiert worden. Unsere Rothäute leben vielleicht in ihrer Reservation noch in Zelten, aber hinter dem Zelt steht das neueste Automodell, und im Zelt steht der Kühlschrank. Die Indianer Südamerikas wichen vor der Zivilisation immer tiefer in das Dickicht der unermeßlichen Amazonaswälder zurück. Wo sie der Berührung mit Weißen nicht ausweichen konnten, verloren sie rasch, meistens schon in der zweiten Generation, ihre indianischen Eigentümlichkeiten, so daß das Volk der eigentlichen Indianer immer kleiner wurde. Von den wirklichen Urwald-Indianern kam ganz selten einmal einer zu einem vorgeschobenen Gummiposten, um Tauschgeschäfte zu machen, nie aber verirrten sie sich bis in die großen Städte Brasiliens.
Die Alacientes waren ein Stamm, der besonders vor der Berührung mit Weißen zurückscheute. In kleine Völker und Dorfgemeinschaften aufgespalten, die sich oft genug untereinander bekämpften, hausten sie in der Nähe des Rio Alacies, eines Nebenflusses des Amazonas. Mit ihnen Kontakt zu suchen, war gefährlich und gelang auf die Dauer nie.
Während uns Lohmann das erzählte, lag der Alaciente in seiner Fesselung auf dem Polster, ließ seine Augen von einem zum anderen gehen und rührte sich nicht.
»Können Sie mit ihm reden?« fragte ich, wechselte den Platz, richtete den Indianer auf, löste den Knebel, der ihm den Mund verschloß, und zerschnitt mit meinem Taschenmesser seine Fesselung.
Lohmann richtete einen portugiesischen Satz an ihn. Der Indianer sah ihn lange an, öffnete dann den Mund und antwortete mit einer erstaunlich tiefen Stimme.
Lohmanns Gesicht drückte Verwunderung aus.
»Was sagt er?« drängte Phil.
»Er sagt, der Jaguar würde uns alle töten!«
»Das ist eine Raubkatze, die sich in euren Wäldern herumtreibt, nicht wahr?«
»Ja, ungefähr so etwas wie ein Leopard in Afrika.«
»Fragen Sie ihn, wie er heißt, und woher er kommt!«
Es begann ein fast endloses Frage- und Antwortspiel, das bis in die Morgendämmerung hinein dauerte. Ohne Lohmann hätten wir wahrscheinlich kein Wort aus der Rothaut herausbekommen. Am Ende wußten wir etwa, was mit ihm los war. Offenbar war er mit einem Gummitransport vom Rio Alacies nach Rio gekommen. Er schien in einer Art Lagerhalle zu hausen, aber wir konnten nicht erfahren, wo sich diese Lagerhalle befand. Er holte die Briefe ab, wenn es ihm gesagt wurde, und gab sie an irgendwen weiter, wahrscheinlich an einen Stammesgefährten, der von Zeit zu Zeit mit den Gummitransporten aus dem Urwald kam. Immer wieder tauchte in seinen Antworten die Bezeichnung Jaguar auf. Der Jaguar, oder auch der ›große Jaguar‹ habe ihn geschickt, sagte er. Der Jaguar habe ihm befohlen, einem weißen Mann zu gehorchen. Der Jaguar werde ihn beschützen und uns durch einen großen Zauber vernichten. Lohmann übersetzte, so gut er konnte, aber der Indianer sprach selbst nur ein gebrochenes Portugiesisch, und vieles, was er sagte, blieb für uns unerklärlich. Es wurzelte so tief in der Vorstellungswelt des Urwaldes, daß wir es nicht in unsere Begriff zu übertragen vermochten.
Das erste Licht kroch über dem Meer hoch, als wir abbrachen.
»Sind Sie jetzt klüger?« fragte Lohmann mit leichtem Spott.
»Ich denke. Hören Sie, Lohmann, ich sage Ihnen den Rest unserer Aufgabe. Wir suchen einen Mann, der es vorzüglich versteht, falsche Goldmünzen herzustellen. Dieses Gerede von dem ›Großen Jaguar‹ des Indianers, die Tatsache, daß mein Kollege Bower in den Urwald wollte, ferner der Umstand, daß ein gewisser Lechero, der in Verbindung mit dem ermordeten Goldmünzenverkäufer Pompenos stand, bei der Gummifirma Sestros & Sestros beschäftigt ist, die nach der Art ihres Geschäfts ständige Transporte zwischen dem Urwald und Rio durchführt, das alles bringt mich zu der Überzeugung, daß der ›Jaguar‹ ein Mann ist, der sich durch irgendwelche Tricks die Indianer unterworfen hat und nun seine falschen Goldmünzen dort fabriziert.« Lohmann brach in schallendes Gelächter aus. Er konnte sich überhaupt nicht wieder beruhigen.
»Nehmen Sie mir es nicht übel, Mr. Cotton«, sagte er schließlich, während er sich die Lachtränen abwischte, »aber der Gedanke ist völlig hirnverbrannt. Ein Mann soll mitten in der grünen Hölle
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