0004 - Ich entdeckte den Goldmacher
Schneise fuhren, die quer durch den Urwald gehauen war. Links und rechts verfilzte sich ein undurchdringlicher Pflanzenwuchs zu einer grünen Wand, in die man keine zwei Schritte eindringen konnte, ohne sich rettungslos in ein Gewirr von allem nur denkbaren Grünzeug zu verfangen. Die Kronen der Bäume bildeten ein völlig geschlossenes Dach, durch das die Sonne nur in die schmale Spur der Schneise einzudringen vermochte.
»Früher war das ein Fußpfad vom Amazonas zur Bahn. Später wurde er von Maultieren benutzt«, erkärte Lohmann. »Mein Vater ließ ihn auf Wagenbreite bringen. Es kostete ihn den Ertrag zweier Gummiernten, und es macht heute noch rund zehn Prozent meiner Unkosten aus, ihn von Zuwachsungen freizuhalten. Der Urwald frißt sofort wieder auf, was der Mensch aus der Hand läßt.«
Hinter dem Jeep holperte ein großer Anhänger, auf dem sich die Benzinkanister stapelten. Von Zeit zu Zeit mußten wir tanken. Die Sonne stand jetzt hoch. Ihre Strahlen brannten auf uns herab. Der Urwald begann eine Unmenge von Gerüchen auszuströmen. Düfte mischten sich mit abscheulichem Gestank.
Lohmann gab uns Erklärungen. Er wies uns Lianen, die wunderbar klares Trinkwasser enthalten. Er zeigte uns die Unmengen von Kolibris, von Riesenfaltern, die durch die Luft schwirrten und schaukelten. Gleichmütig machte er auf eine große gelb-schwarze Schlange aufmerksam, die sich an einem Ast ringelte.
»Eine Anokonda. Sie ist nicht giftig, aber sie kann einen Menschen erdrücken.«
Es gab herrliche Orchideen auf den Bäumen, Orchideen, wie sie in New York zehn bis fünfzehn Dollar das Stück kosten. Hier galten sie als Unkraut.
Lohmann löste den Fahrer ab, der sich sofort in den Anhänger zu den Benzinkanistern verfügte, den Hut auf das Gesicht drückte und dort offenbar, wie ein Federball auf und ab hüpfend, wunderbar schlief — von uns glühend beneidet. — Später nahmen auch Phil und ich abwechselnd das Steuer. Erst während der Nacht fuhr dann Wieder der Peon.
Ich glaube, ich bin dann trotz aller Schaukelei schließlich eingeduselt, denn erst ein Griff Lohmanns an meine Schulter brachte mich wieder zum Bewußtsein meiner selbst.
»Wir sind da!«
Ich sah ein langes, flaches, freistehendes Gebäude, das weiß durch die Dunkelheit schimmerte, wälzte meine steifen Glieder vom Wagen, reckte und streckte mich und stöhnte selig.
»Wollen wir essen?« fragte unser Gastgeber.
»No«, antwortete ich. »Schlafen!« Und Phil an meiner Seite nickte nachdrücklich.
Wir schliefen runde zwölf Stunden in langen, kühlen Betten, unter einem Moskitonetz und nur zugedeckt mit einem Leinentuch, während ein Ventilator uns Kühlung zufächelte. Erst gegen Mittag des anderen Tages trafen wir uns mit Lohmann zu einem Frühstück, und dann fuhr er uns durch seine Plantage.
Was Lohmann, sein Vater und sein Großvater hier in den Urwald gezaubert hatten, das grenzte an ein Wunder. Schnurgerade, auf einer Fläche von Quadratmeilen, standen die Gummibäume, denen sorgfältig nach einem bestimmten Plan die Gummimilch abgezapft wurde, damit der Baum sich nicht verblutete.
»Die Gummisucher im Urwald ruinieren durch brutales Anzapfen die Bäume«, sagte Lohmann. »Uns Farmern könnte es nur recht sein, denn sie müssen, immer tiefer eindringen, und damit wird der Rohgummi nur teurer.«
Vorbildliche Lagerhallen nahmen die Rohballen auf, und die Räucheranlage arbeitete fast automatisch. Das Wohnhaus war bequem eingerichtet und bot allen Komfort, ohne üppig zu sein. Lohmann beschäftigte ungefähr achtzig Leute, die zum guten Teil aus Familien bestanden. Die meisten von ihnen waren Indianer oder Indianer-Mischlinge, aber wie die meisten Südamerikanischen Indianer hatten sie ihre Stammesgewohnheiten längst aufgegeben.
Am Abend saßen wir bei einem guten Drink beisammen, der in einem tiefen Erdschacht gekühlt worden war, die einzige Möglichkeit, ein Getränk kalt zu bekommen, wenn es kein Eis gab.
»Ich habe das Motorboot für morgen früh bereitstellen lassen«, sagte unser Gastgeber. »Die für Sie bestimmten Sachen hat Pedro auf Ihre Zimmer gebracht. Ob Sie mit Gewehren umgehen können, brauche ich nicht zu fragen. Wir nehmen acht meiner Leute mit und zwei Kanus als Schlepp. Den Amazonas hinauf ist die Sache kein Problem. Die hundert Meilen schaffen wir in vier Tagen, auch ein gutes Stück den Rio Alacies hinauf werden wir mühelos schaffen. Dann aber wird es kritisch. Fünfzehn, zwanzig, vielleicht auch noch hundert
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