0004 - Im Totenreich der Ghouls
kurz. Dann schaute er nicht mehr zur geschlossenen Tür, sondern in Zamorras Augen. »Bitte, reden Sie jetzt, Professor Zamorra. Diese - diese quälende Ungewißheit macht mich wahnsinnig.«
Zamorra lehnte sich zurück. Er musterte das erschrockene Gesicht seines Gegenübers einen Augenblick.
Dann fragte er: »Wissen Sie, was ein Ghoul ist, Mr. Winner?«
Der junge Leichenbestatter, der den Betrieb von seinem Vater geerbt hatte, zuckte unschlüssig die Schultern.
»Nun ja, das soll irgend so ein Dämon sein, der sich von Leichenteilen ernährt…«
Zamorra nickte. »Es gibt drei Hauptarten von Ghouls, Mr. Winner.«
»So?«
»Ja. Jene, die Menschen bei lebendigem Leib auffressen, jene, die Leichen bevorzugen, die mindestens eine Woche alt sind, und jene, die nur Knochen fressen. Natürlich können die Grenzen hierbei auch verschwimmen, so daß ein Ghoul sowohl über lebende Menschen herfallen als sich auch von Leichen ernähren kann…«
Winner holte tief Luft. Er fragte sich, was das alles mit seiner Jessica zu tun hatte, doch er wagte keine diesbezügliche Frage an Zamorra zu richten.
»Ich muß schon sagen…«, begann er ächzend, dann stockte er. Er holte noch einmal tief Luft und fuhr fort: »Als Leichenbestatter bin ich damit vertraut, mit Toten umzugehen. Alles, was mit Tod und Sterben zu tun hat, ist mir nicht fremd und macht mir nicht angst. Vor dem, was Sie mir da aber erzählen, fürchte ich mich, Professor. Wieso sprechen Sie über diese abscheulichen Dämonen? Ich dachte, Sie wollten mit mir über Jessicas Tod sprechen.«
»Bitte, machen Sie sich auf eine erschütternde Nachricht gefaßt, Mr. Winner!« bereitete Zamorra den Mann auf den Schock vor.
Winners Hände verkrampften sich um die Kanten des Schreibtisches. Die Knöchel bohrten sich durch die Haut und zeichneten sich als weiße Flecken ab.
»Mein Gott, sprechen Sie!« stöhnte Winner, der mit seinen Nerven fast schon am Ende war.
»Jessica, Mr. Winner…«
»Ja! Ja? Sagen Sie es. Sagen Sie es endlich, Professor Zamorra!«
»Sie wurde das Opfer eines Ghouls!«
David Winners Gesicht wurde käsig. Die Nachricht hatte ihn nun wie ein Keulenschlag getroffen. Er stieß einen krächzenden Laut aus und fuhr sich an die zuckenden Wangen, während sein flackernder Blick durch den Raum irrte, ohne jedoch an irgendeiner Stelle zu verweilen.
»Das ist nicht wahr!« schrie er plötzlich verzweifelt. »Nein! Das ist nicht wahr! Meine Jessica! Nein!«
Er schlug auf den Tisch, trommelte mit den Fäusten auf dem klobigen Schreibtisch herum.
»Es ist leider wahr, Mr. Winner«, sagte Zamorra so sanft wie möglich.
»Aber…«
»Ich habe sie gesehen, Mr. Winner!« sagte Zamorra eindringlich.
David Winner schaute ihn ungläubig an. »Das darf nicht wahr sein. Es darf einfach nicht wahr sein. Das gibt es doch nicht! Es gibt keine Ghouls. Es gibt sie doch nicht wirklich! Wo ist sie? Wo ist meine Jessica? Wieso wissen Sie das alles, Professor Zamorra?«
Zamorra konnte nicht umhin, den Leichenbestatter aufzuklären, wie er die Botschaft empfangen hatte und was er anschließend getan hatte.
»O Gott! Mein Gott!« stöhnte Winner in seiner dumpfen Verzweiflung. »Meine Jessica! Ich kann es immer noch nicht fassen!«
Er sprang auf und kam mit stampfenden Schritten um den Schreibtisch herum.
Einen Moment lang sah es so aus, als wollte er sich auf Zamorra stürzen. Seine Augen funkelten. Wut, Haß, Gereiztheit glitzerten in ihnen.
»Wer, Professor Zamorra? Wer hat das getan? Wer ist dieser abscheuliche Ghoul?«
Zamorra zuckte die Achseln. »Kennen Sie irgendeinen Menschen aus Jessicas engstem Bekanntenkreis, dem Sie es zutrauen würden, daß er sich mit dem Teufel einläßt, Mr. Winner?«
David Winner setzte sich steif auf seinen Schreibtisch. In seinen Augen stand der blanke Haß.
»Ja!« knurrte er ganz hinten in der Kehle, während er Zamorra fest und durchdringend anstarrte. »Ich kenne einen!«
Zamorra horchte erstaunt auf.
»Einen einzigen!« sagte Winner mit hohler Stimme. »Dem traue ich jede Schlechtigkeit zu. Auch ein Bündnis mit dem Teufel. Wenn jemand dem Satan seine Seele verschrieben hat, dann ist ganz sicher er das!«
»Wer?« fragte Zamorra schnell.
Winner hörte ihn nicht. Er starrte zur gegenüberliegenden Wand, während er schnell und aufgeregt atmete.
»Von wem sprechen Sie, Mr. Winner?« fragte Zamorra drängend.
»Ich spreche von Burke Sikking!« erwiderte Winner zähneknirschend.
»Burke Sikking?«
»Wenn Sie einen
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