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0009 - Der Hexenmeister

0009 - Der Hexenmeister

Titel: 0009 - Der Hexenmeister Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhart Hartsch
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ihren unterirdischen Tempel. In einer tagelangen Orgie mißbrauchten sie Fernand und mich. Sie feierten das große Blutzeremoniell. Sie nahmen Fernand in ihre Reihen auf. Warum sie mich verschonten, weiß ich bis heute noch nicht. Ich war ohnmächtig geworden. Als ich aus tiefer Bewußtlosigkeit erwachte, lag ich zerschlagen und zerschunden am Berg des Sündenfalls.«
    »Sie haben nie versucht, Fernands Schicksal aufzuklären?« erkundigte sich Nicole Duval.
    »Ich habe versucht, die Ruine ein zweites Mal zu betreten. Ich wollte mich opfern für Fernand, mein Leben eintauschen gegen das seine. Aber ich konnte es nicht. Eine blutrote lebende Hecke versperrte mir den Weg. Wie ich es auch anfing, ich kam nicht hindurch. Fernand wird auf immer mein Gewissen belasten. Ich bleibe hier und trauere um ihn. Das ist meine Strafe. Und ich lebe wie eine Nonne, seit ich das Schreckliche mitmachte. Auch wenn Armand fleißig das Gegenteil behauptet, er war auch oben. Er hat einen Pakt mit dem Teufel geschlossen. Er dient den Mysterienbrüdern und erkaufte sich dadurch scheinbar die Freiheit. Er ist noch ärger dran als ich.«
    »Warum haben Sie ihn nicht endgültig des Mordes an seiner Mutter überführt und die Polizei alarmiert?« forschte Nicole Duval.
    »Ich habe das Gelübde getan, niemals mehr Pelote zu verlassen. Und ein Telefon besitze ich nicht. Meine Briefe werden abgefangen. Armand hat es verstanden, mich in der Gemeinde zu isolieren. Meine eigene Mutter hat sich von mir abgewandt. Fernands Eltern tun alles, um mir das Leben so schwer wie möglich zu machen. Ich hause hier wie eine Leprakranke. Ich ernähre mich von dem, was ich anbaue.«
    »Ich bringe Sie hier heraus. Sie kommen mit mir, Odile«, sagte Nicole Duval. »Dies ist kein Leben hier für Sie.«
    Die Rothaarige schüttelte traurig den Kopf.
    »Ich bleibe hier. Meine Aufgabe ist es, zu verhindern, daß die Mysterienbrüder neue Opfer finden. Daher habe ich versucht, Sie und den Amerikaner zur Umkehr zu bewegen. Ich wußte, daß Sie mir nicht geglaubt hätten, wenn ich direkt zu Ihnen gekommen wäre, um Sie zu warnen. Also habe ich auf meine Art versucht, Sie von einem Aufenthalt in diesem verfluchten Dorf abzubringen.«
    »Ich kann auch heute noch nicht begreifen, daß so etwas möglich sein soll. Mein Verstand sträubt sich einfach dagegen«, seufzte Nicole Duval. »Armand hat in einer schwachen Stunde ein ähnliches Geständnis abgelegt wie Sie, Odile. Also muß etwas Wahres dran sein. Aber wir leben im zwanzigsten Jahrhundert!«
    »Was bedeutet das schon?« lächelte Odile Blanche. »Jede Zeit hält sich für aufgeklärt. Dabei sind wir noch nie einen Schritt weitergekommen. Nur die Kulissen haben gewechselt. Es gibt sie immer noch, die Dämonen, die Kräfte der Finsternis. Wir nennen sie anders. Aber sie sind da und bedrohen uns. Wir müssen uns gegen sie schützen. Wehe dem, der in ihre Gewalt gerät. Er ist verflucht und verdammt. Aus eigener Kraft wird er die Ketten nie mehr los.«
    Odile Blanche machte eine Kopfbewegung Richtung Fenster.
    »Sehen Sie den da. Armand muß tun, was Manasse verlangt. Der oberste Logenbruder der ›Sekte der Verzehrenden Wahrheit‹ hat ihn in seiner Gewalt. Armand gehört zu den Gezeichneten. Er weiß, daß er alles vermeiden muß, was das Mißfallen seines Gebieters erregen könnte. Er lebt wie ein Leibeigener. Unsichtbare Bande fesseln ihn an den Satan. Werden sie gekappt, fällt Armand zu Boden wie eine Marionette. Denn er hat seine Seele dem Teufel verschrieben.«
    »Immerhin respektiert er noch die Grenzen dieses Anwesens«, erwiderte Nicole Duval.
    »Das verdanke ich einem jungen Geistlichen, einem ehemaligen Arbeiterpriester. Er gehörte zur Nachbargemeinde und besuchte Pelote einmal im Monat. Ich faßte Vertrauen. Ich beichtete ihm. Schon das hat mir geholfen. Aber der Priester tat noch mehr. Er hatte wohl gemerkt, wie es um mich stand. Daher verzichtete er darauf, die Genehmigung des zuständigen Bischofs einzuholen, ehe er nach dem Rituale romanorum mit der Teufelsaustreibung begann. Ich mußte fasten, tagelang, und mich auf den großen Augenblick vorbereiten. Er selbst schonte sich ebenfalls nicht. Er scheute selbst vor einer Gei- ßelung nicht zurück, ehe er es wagte, den Kampf mit dem Teufel aufzunehmen. Er bannte den Satan. Er vertrieb ihn. Für jemanden, der weder an Gott noch an dessen Widerpart glaubt, mag das unverständlich sein. Aber ich war immer religiös. Diese Zeremonie, die Kerzen, das Weihwasser,

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