0009 - Der Hexenmeister
rote Hexe Odile Blanche. Die beiden unterhielten sich erhitzt über eine Menge von Schutzmaßnahmen, die sie noch ergreifen wollten, um diese Nacht unbeschadet zu überstehen. Denn Odiles magische Schutzwand war wohl nicht für alle unüberwindbar. Das hatte der Angriff des Knochenmannes bewiesen.
Ein kaltes Grinsen huschte über die maskenhaft starren Züge des heimlichen Angreifers. Besser konnte er es nicht treffen. Zwischen dem Rücken des Professors und dem Fenster lagen kaum zwei Schritte. Das Ziel war gar nicht zu verfehlen!
Wild holte er mit der gefährlichen Mordwaffe aus.
Stahl stieß knirschend durch Glas. Splitter flogen nach allen Seiten.
Zamorra warf sich blitzschnell zu Boden. Odiles gellender Schrei hatte ihn gewarnt.
Die Forke landete im Eichentisch. Tief bohrten sich die mörderischen Zinken in das Holz. Der Schaft wippte nach.
Mit einem heiseren Wutschrei stürzte sich Bill Fleming in den Raum. Mit irren Augen ging er auf Zamorra los.
»Bill, bist du verrückt geworden?« rief Zamorra, ohne eine Antwort zu erhalten.
Die Hände des Angreifers schlossen sich wie stählerne Zwingen um den Hals des Professors. Knurrend und vor Wut schäumend, schüttelte Fleming sein Opfer, das sich nur schwach wehrte, überrascht durch den unerklärlichen Sinneswandel eines Freundes.
Zamorras Amulett half ihm in dieser Situation gar nichts. Bill Fleming war ein Mensch, keine schwarzmagische Kreatur, deshalb griff ihn das Amulett auch nicht an.
Bill Flemings Augen suchten nach einem brauchbaren Mordinstrument. Auf dem Tisch lag ein scharfgeschliffenes Küchenmesser. Mit einer Hand hielt er den Professor fest, seine freie Rechte tastete nach der Waffe, um Zamorra endgültig zu besiegen.
Zamorra erkannte jetzt, daß der Amerikaner völlig von Sinnen war, vernünftigen Argumenten nicht mehr zugänglich. Dieser Bursche brauchte eine stärkere Medizin.
Mit einem einzigen Handkantenschlag befreite sich Zamorra aus der Umklammerung. Fleming hob das blitzende Messer. Zamorra unterlief den Angreifer, schob sich dicht an ihn heran. Schulmäßig zuckten beide Handkanten heraus. Sie fegten in das Zielgebiet.
Bill Fleming klappte zusammen wie ein Taschenmesser. Hart wäre er auf den Fußboden geschlagen, wenn ihn Zamorra nicht in letzter Sekunde aufgefangen hätte.
»Er hat kein Mitleid verdient«, meinte Odile Blanche verbittert.
Sie hatte sich ebenfalls zu Boden geworfen und war in Deckung gerobbt. Jetzt erhob sie sich, zitternd vor Aufregung.
»Er weiß nicht, was er tut«, erwiderte Zamorra besänftigend. »Wir können ihn zur Zeit für seine Taten nicht verantwortlich machen.«
»Sie meinen, daß Manasse…?«
Irritiert blickte Odile Blanche den Professor an.
»Richtig«, bestätigte Zamorra ernst. »Manasse hat ihn sozusagen umfunktioniert. Er hat ihn einer Art magischer Gehirnwäsche unterzogen, solange, bis er in der Loge der Verzehrenden Wahrheit seine Verbündeten und in mir seinen Erzfeind sah. Da hat Bill versucht, mich zu ermorden. Jetzt ist er an Manasse durch einen magischen Bann gebunden. Einen Bann, von dem ich nicht weiß, ob ich ihn auflösen kann.«
Zamorra trug den Freund in Odiles Schlafzimmer und legte ihn dort aufs Bett. Dann holte er starke Riemen und band ihn an Händen und Füßen. Schließlich kettete er ihn noch an das Bettgestell an.
»Ich kann ihm das leider nicht ersparen«, bedauerte Zamorra.
»Noch ist Bill nicht geheilt. Er würde seine Angriffe fortsetzen. Er ist besessen von den Wahnideen, die ihm der schwarze Abt suggeriert hat.«
»Wird Manasse die arme Nicole ebenso behandeln?« fragte sich Odile Blanche erschrocken.
»Ich glaube nicht. Er hat nicht mehr genügend Zeit. Sehen Sie, die Sonne geht auf. Ich werde gehen. Entweder kehre ich auf dem Schild heim oder als Sieger.«
Zamorra lächelte. Er versuchte zu scherzen, obwohl ihm dazu wahrlich jeder Anlaß fehlte.
Entschlossen richtete sich Zamorra auf. Tapfer verbiß er sich den Schmerz im Brustkorb.
»Kümmern Sie sich um Romain Lassus und Bill Fleming«, bat er.
»Falls ich mit Nicole zurückkehre und den schwarzen Abt besiegt habe, möchte ich, daß hier alles in Ordnung ist.«
Odile Blanche nickte nur. Sie gab Zamorra das Geleit bis an die Grenze ihres Anwesens und blickte dem Mann bewundernd nach, der mit langen, ruhigen Schritten und ohne Zögern den Berg hinaufging – und der eine magische Waffe bei sich trug, wie sie auf der Welt einmalig sein mußte.
Hoch oben am Berg lag die Basilika, ein Kranz
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