001 - Das Grauen schleicht durch Bonnards Haus
die Schultern, als sie Larrys
Blick fühlte. Doch die Bewegung war umsonst. Der Stofffetzen rutschte wieder
herab, als sie ihre Hand von der Schulter nahm.
»Sie werden es nicht glauben, wenn ich Ihnen erzähle, auf welche Weise ich
mit einer Riesenfledermaus zusammengestoßen bin, Larry ...«, sagte sie schnell,
nur um das Gespräch wieder in Gang zu bringen und ihn offensichtlich von ihrer
eigenen Person abzulenken.
Larry Brent winkte ab. »Sagen Sie das nicht, Nicole«, entgegnete er. »Seit
ich hier bin, weiß ich, dass alles möglich ist. Ich habe immer geglaubt, dass
nur in Amerika Unmögliches passiert. Jetzt bin ich eines Besseren belehrt
worden.«
Nicole Bonnard erwähnte ihr Abenteuer auf dem Hof des Bauern Jacques
Taillant.
Larry fühlte beinahe körperlich das Mitteilungsbedürfnis der jungen
Französin. Etwas bedrückte sie, sie wollte ihr Herz erleichtern, und in Larry
glaubte sie die Person ihres Vertrauens gefunden zu haben. Trotz seines
lädierten Aussehens fühlte sie sich zu diesem jungen, dynamischen Mann
hingezogen.
So erfuhr er einiges von Nicole Bonnard. Sie studierte in Paris
Journalismus und hatte Näheres über die Vampire erfahren wollen. So begab sie
sich ohne Taillants Wissen auf dessen Hof und war dort bei Einbruch der Dunkelheit
von den rätselhaften Fledermäusen überrascht worden. Sie ließ Larry Brent auch
wissen, dass sie vor der Polizei geflüchtet war.
»... erst habe ich reden wollen, doch dann – bekam ich plötzlich Angst. Ich
dachte an meinen Vater. Ich ergriff die Chance, um aus dem Bad zu fliehen. Wie
von einem Rausch besessen. Solange ich keine Gewissheit habe, kann ich nicht
sprechen. Aber das wurde mir erst bewusst, als ich mich schon dazu entschlossen
hatte. Für mich ist im Moment nur eines wichtig: Ich muss so schnell wie
möglich mit meinem Vater zusammentreffen ...« Die junge Frau atmete tief durch
und legte eine längere Pause ein. Larry Brent merkte ihr an, dass sie im Innern
mit sich kämpfte und ihm noch etwas sagen wollte. Er drängte nicht, sondern
wartete ab, bis sie selbst wieder zu sprechen anfing. »Alles weist
offensichtlich darauf hin, dass mein Vater Mitschuld an den Dingen hat, die
sich im Augenblick hier in der Umgebung von Maurs ereignen. Es fällt mir
allerdings schwer, mir vorzustellen, dass er sich zu diesem verbrecherischen
Wahnsinn entschlossen hat.«
Ihre Stimme klang verzweifelt. Wie erstarrt saß sie am Steuer, während der
Wagen mit nicht allzu hoher Geschwindigkeit über die nächtliche Straße rollte.
»Sie haben tatsächlich einen Fehler begangen«, erwiderte der FBI-Agent.
»Diesen Vorwurf kann ich Ihnen nicht ersparen. Sie hätten auf keinen Fall vor
der Polizei davonlaufen dürfen. Dadurch sind Sie jetzt erst recht vom Regen in
die Traufe geraten, und die Leute dort werden sich wohl über Ihre Person einige
Gedanken machen, die ihnen sonst sicher nicht gekommen wären.«
Nicole warf ruckartig den Kopf herum. Die dunklen Haare schwangen in ihr
Gesicht. »Soll das etwa heißen, dass Sie auch ... ?«
Larry wusste, was sie fragen wollte, und nickte. Er erzählte, dass er dem
FBI angehöre und einen Trip durch Europa mache.
Die Französin schenkte Larry erst Glauben, als er ihr seinen Ausweis
zeigte. »So also sieht ein FBI-Agent aus«, murmelte sie benommen. Ihre Stimme
klang wie ein Hauch. »Ich habe mir darunter immer Burschen mit breiten
Schultern, sportlicher Figur und markantem Aussehen vorgestellt. Außerdem
trinken sie ständig Whisky, schlagen sich herum und fallen in die Arme
verführerischer Frauen und Mädchen. Von alledem stimmt bei Ihnen offensichtlich
nur das erste ...«
Larry Brent grinste. »Ich könnte dafür sorgen, dass zumindest auch noch die
letzte Bemerkung stimmt, Nicole. Ihre Meinung über FBI-Agenten soll nicht
enttäuscht werden.« Larry wechselte wieder das Thema. Zu ernst war die Lage.
»Was hat Ihr Vater mit den Vampiren zu tun, Nicole?« fragte er unvermittelt.
Sie zuckte die Achseln. »Ich kann darüber nichts Genaues sagen. Aus dem
wenigen, was ich weiß, kann ich mir zwar eine Geschichte zusammenreimen. Aber
die muss nicht stimmen. Ich bin – wie alle anderen auch – auf Vermutungen
angewiesen. Ich weiß nur eines mit Sicherheit. Mein Vater und Monsieur Canol
arbeiteten gemeinsam an einem großen Versuch. Mein Vater schien begeistert, wie
ich an seinem Verhalten am Telefon feststellen konnte. Das, was die beiden
ausheckten, muss mit den Vampiren, die Canol züchtet, in engem
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