001 - Das Grauen schleicht durch Bonnards Haus
Zusammenhang
stehen. Doch ich will meinen Vater nicht durch Fehlverhalten hinter
Zuchthausmauern bringen, verstehen Sie, Larry? Ein falsches Wort von mir könnte
– beim derzeitigen Stand der Dinge jedenfalls – von größtem Schaden für ihn
sein ...«
»Aber wenn Ihr Vater ein Verbrecher ist, ein Mörder, Nicole? Was bleibt
Ihnen dann zu tun?« reagierte Larry Brent scharf.
Sie schluckte. »Ich weiß nicht, ich ... ich weiß überhaupt nicht, was noch
richtig ist. Ich fürchte, ich habe Kommissar Sarget schon viel zu viel gesagt.«
Da legte Larry seinen Arm um ihre Schultern, und sie ließ es sich gefallen. Sie
sah ihn bittend an. »Vielleicht könnten Sie mir helfen, Larry. Ich muss
Gewissheit haben. Ich muss wissen, was mein Vater wirklich getan hat, und ich
muss es wissen, noch bevor die Polizei von Maurs Schritte unternimmt.«
Larry Brents Lippen wurden schmal. »Ich will Ihnen gern helfen, Nicole. Ich
will tun, was in meiner Macht steht. Aber es wird nichts sein, was gegen das
Gesetz geht! Das werden Sie sicher verstehen ...«
Sie nickte. »Das verlange ich auch nicht von Ihnen, Larry.« Ihre Stimme
klang dumpf und verändert. »Wenn Vater ein Verbrecher ist, ein wirklicher
Verbrecher, dann wird man ihn bestrafen, und dann werde ich es auch nicht
verhindern. Aber ich will wissen, warum er es geworden ist. Niemand weiß, dass
sich mein Vater in Maurs aufhält. Es heißt, dass er seit Monaten angeblich auf
einer Reise ist. Doch das ist nicht wahr. Das verfallene Gehöft auf der anderen
Seite des Berges ist bewohnt. Es gibt darin ein Labor, in dem Vater oft
gearbeitet hat. Er hat sich ganz dorthin zurückgezogen, um seinen Forschungen
nachzugehen. Ich fürchte, er ist zum weltfremden Sonderling geworden, der von
einer ungeheuerlichen Entdeckung träumt – oder tatsächlich vor einer solchen
steht. Seine Briefe in der letzten Zeit wurden immer seltener, und schließlich
sind sie ganz ausgeblieben ...«
Kurz vor dem Ortsschild von Maurs bog Nicole Bonnard in einen Seitenweg und
fuhr indirekt in die Ortschaft. Sie fürchtete, auf der normalen Straße einem
Wagen mit Sargets Leuten zu begegnen. Nicole wollte Larry in der Nähe des Le
petit Jardin absetzen und dann selbst bei einer Freundin ein Nachtquartier
suchen. Sie verabredeten sich für den Vormittag des nächsten Tages. Am
Ortsausgang wollten sie sich treffen. Nicole wollte Larry Brent zum Gehöft
ihres Vaters bringen. Der FBI-Agent stieg an einer dunklen Ecke aus.
Der Nachtportier fiel fast aus allen Wolken, als Larry Brent im Le petit
Jardin auftauchte. »Mein Gott, Monsieur! Sie hatten einen Unfall, nicht wahr?
Ich werde sofort ...«
Larry winkte ab. Er erklärte, dass er ein Zimmer bestellt habe und der
Unfall halb so schlimm sei, wie es aussehe. Er hätte im Moment nur den Wunsch
nach einer Badewanne und wolle sich dann ins Bett legen.
»Wir haben für Sie Zimmer 117 reserviert, Monsieur Brent. Wir hoffen, Ihnen
damit einen besonderen Gefallen zu tun. Denn Zimmer 116 wird ebenfalls von
einem Amerikaner bewohnt ...«
»Ah, das ist wirklich sehr interessant«, entgegnete Larry. »Wie heißt denn
die Dame?«
Der Franzose hinter der Rezeption grinste breit. »Damit können wir Ihnen
leider nicht dienen, Monsieur. Die Dame ist ein Herr ... sein Name war Henry
Parker ...«
●
Er ließ sich sein Erstaunen nicht anmerken. Larry Brent lief es siedend
heiß über den Rücken. Henry Parker, der Tote am Straßenrand! Er selbst hatte
ihn gefunden. Unmittelbar darauf wollte er die Polizei verständigen. Doch die
sich überstürzenden Ereignisse machten es zunichte. Da war es unsinnig, noch
etwas zu unternehmen. Sicher hatte man Parker in der Zwischenzeit gefunden und
identifiziert.
Der Nachtportier begleitete Larry Brent nach oben.
Larry fühlte sich leer und zerschlagen, so dass ihm erst jetzt bewusst
wurde, dass der Mann im Zusammenhang mit Henry Parker in der Vergangenheit
gesprochen hatte.
Da erst schaltete er. »Sagen Sie, Monsieur ... wieso sagten Sie vorhin: war
...«
Der Franzose atmete tief durch, überreichte dem Amerikaner mit hilfloser
Gebärde die Schlüssel und zuckte dann bedauernd die Achseln. Mit einer halben
Drehung deutete er auf die Tür des Nachbarzimmers. Da sah Larry das
polizeiliche Siegel, das dort angebracht war.
»Unter diesen Umständen wäre es wohl ungerecht, Sie nicht darauf aufmerksam
zu machen«, redete der Franzose um den heißen Brei. »Wir können es nicht
ungeschehen machen, was wir gern tun würden. Es
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