0010 - Der endlose Tod
es nicht schaffen. Das hat noch keiner fertiggebracht, Oberinspektor.« Eddie Scheider blieb stehen. »Wenn Sie erlauben, kehre ich jetzt wieder um. Sie können sich denken, daß ich nicht darauf erpicht bin, dabeizusein, wenn es… passiert. Sehen Sie dort vorn den Tümpel?«
John und Suko blickten in die angezeigte Richtung. Gespenstische Nebelschwaden tanzten über einer im Mondlicht hell glänzenden Fläche.
»Wenn Sie den Tümpel hinter sich haben, ist es nicht mehr weit bis…« Der Köhler schluckte aufgeregt. »Wir werden einander wohl nie mehr wiedersehen. Es hat auch keinen Sinn, zu sagen: Leben Sie wohl. Denn Ihr Leben wird in dem Augenblick enden, wo Sie Ihren Fuß auf den entweihten Boden setzen. Schade um Sie beide. Aber wem nicht zu raten ist, dem ist auch nicht zu helfen.«
John lächelte kalt. »Sie sehen die Sache zu schwarz, Eddie.«
»O nein, Oberinspektor. Ich sehe sie richtig. Ihr Optimismus treibt Sie in eine Sackgasse, es gibt kein Entrinnen. Sie werden sehen… Good bye, Mr. Suko. Adieu, Oberinspektor. Ich stehe tief in Ihrer Schuld, und ich wollte, ich hätte mehr für Sie tun können.«
Der Köhler wandte sich um und eilte zurück. Bald war er nicht mehr zu sehen. John stieß seinen Freund leicht an und sagte: »Weiter, Suko. Komm.«
Sie näherten sich dem kleinen Tümpel. Winzige Wellen kräuselten die Wasseroberfläche, über die die bizarren Nebelschwaden trieben. Manchmal nahmen die Nebelfetzen menschliche Formen an, die vom kühlen Nachtwind jedoch gleich wieder zerpflückt wurden. Als die Freunde den Tümpel erreicht hatten, vernahmen sie ein eigenartiges Blubbern. John blieb am Rand des Tümpels stehen. Der Boden unter seinen Füßen war schwarz, weich und morastig.
Blub-blub-blub…
»Was ist das?« fragte Suko mißtrauisch.
John wies auf die Blasen, die sich auf der Wasseroberfläche des Tümpels bildeten. Sie quollen sehr schnell auf, und wenn sie zersprangen, machte es – blub. Immer mehr Blasen wurden es.
»Der Tümpel reagiert auf unsere Nähe«, stellte Suko fest.
Blub-blub-blub…
»Er scheint sich aufzuregen.« Suko war verblüfft.
Der Geistertümpel schien auf einmal zu kochen. Er brodelte. Die gesamte Oberfläche war in Bewegung. Eine der Blasen zerplatzte nicht, sondern hob vom Tümpel ab. Sie schillerte in den Regenbogenfarben, leuchtete von innen heraus, schwebte über dem Tümpel und flog dann plötzlich mit zunehmender Geschwindigkeit auf die beiden Männer zu.
John duckte sich blitzschnell.
Suko hechtete zur Seite. Die schillernde Kugel klatschte gegen einen Baum und zerplatzte mit einem dumpfen Knall. Die Rinde des Baumes knisterte und war so zerfressen, als hätte jemand Salzsäure darüber gegossen. Als Suko das sah, schluckte er trocken. Schon hatte sich die nächste Dämonenkugel gebildet. Sie raste auf John Sinclair zu. Der Geisterjäger warf sich im richtigen Augenblick flach auf den Boden, und das tödliche Geschoß krachte gegen einen anderen Baum. Suko nahm seinen Dämonenbanner vom Hals. Er schwang den ledernen Beutel über seinem Kopf und wartete mit vibrierenden Nerven auf die nächste Geisterkugel. Da entstieg sie dem Tümpel. Mit unglaublichem Tempo kam sie auf den Chinesen zu. Suko wirbelte zur Seite und traf die Blase mit dem Dämonenbanner. Sie stürzte ab, zerplatzte jedoch nicht, sondern fing an ihrer schillernden Oberfläche zu glühen an und rollte in den Tümpel zurück. Jeder Ast, jeder Halm, den die Kugel berührt hatte, war versengt. Zischend tauchte sie sodann ins Wasser. Blitze schossen über die Tümpeloberfläche. Krachend spalteten sie das gegenüberliegende Ufer. Geschrei, Geheul. Gurgelnd strömte alles Wasser in jenen aufgebrochenen schwarzen Schlund, bis kein Tropfen mehr vorhanden war. Eine übelriechende, schlammige Senke blieb, aus der den Freunden ätzende Dämpfe entgegenstiegen.
John richtete sich auf und säuberte notdürftig seine Kleider.
»Das hast du gut gemacht, Suko«, lobte er seinen Mitarbeiter.
Der Chinese grinste. »Man guckt sich eben dann und wann etwas vom großen Geisterjäger ab.«
***
Noch nie hatte Eddie Scheider solche Ängste ausgestanden wie in dieser Nacht. Er fühlte sich schuldbeladen. Er hatte etwas getan, das er nicht hätte tun dürfen. Die Dämonen konnten es ihm unter Umständen verdammt übelnehmen, daß er Sinclair und Suko den Weg zum Hort des Bösen gezeigt hatte. Damit hatte er zum erstenmal eindeutig Stellung gegen sie bezogen. Er hatte etwas gegen sie unternommen. So
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